piwik no script img

Viele, viele kleine Googles

MARKTMACHT EU-Parlamentarier debattieren über eine Zerschlagung des Konzerns. Verbraucherschützer sehen den Vorschlag skeptisch

„Die Datensammlung ist bei Google das größte Problem“

LENZ QUECKENSTEDT, VZBV

VON SVENJA BERGT

BERLIN taz | Die Debatte um eine erzwungene Aufspaltung des US-Konzerns Google ist im EU-Parlament angekommen. Die Abgeordneten der konservativen EVP-Fraktion und der sozialdemokratischen S & D haben einen Antrag für eine Resolution eingebracht, die eine deutliche Einschränkung der Marktmacht von Suchmaschinen fordert. Am heutigen Mittwoch soll das Parlament die Vorschläge diskutieren und am Donnerstag darüber abstimmen.

In dem Papier betonen die Autoren die Macht von Suchmaschinen, wenn es um das Auffinden von Informationen im Netz geht – etwa das Potenzial, eigene Dienste in den Ergebnissen weiter oben zu platzieren als die von Wettbewerbern. Sie fordern daher die EU-Kommission auf, zu prüfen, ob Suchmaschinen von anderen kommerziellen Diensten abgetrennt werden müssen. Das Papier ist allgemein formuliert, der Name Google fällt nicht. Auf wen sich die Autoren mit ihrer Kritik an einer marktbeherrschenden Stellung beziehen, ist jedoch klar: Google hat mit seiner Suchmaschine europaweit einen Marktanteil von über 90 Prozent.

Der EVP-Abgeordnete und Mitautor Andreas Schwab erwartet von einer Abtrennung des Suchdienstes Vorteile für Verbraucher und Wettbewerber. „Die Suchmaschine hätte dann das Interesse, das beste Angebot oben zu listen und nicht das von Google“, sagt Schwab. Ziel sei es, dass der Algorithmus „wirtschaftlich neutral“ funktioniere. Dass dieser offengelegt werden müsse – um überprüfbar zu sein –, fordert er allerdings nicht.

Eine Resolution hat, auch wenn sie eine Mehrheit findet, keine rechtliche Bindung. Die sozialdemokratische Abgeordnete Evelyne Gebhardt sieht sie daher vor allem als Druckmittel. Denn die EU-Kommission ermittelt seit Jahren in einem Kartellverfahren gegen Google. Dabei geht es um eine Bevorzugung eigener Dienste in Spezialsuchen, etwa nach Hotels oder Flügen. Nachdem es zum Jahresanfang nach einer Einigung aussah, forderte der damalige Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia zuletzt im September weitere Zugeständnisse von dem Konzern.

Verbraucherschützer sehen den Vorschlag der beiden Fraktionen skeptisch. „Die Datensammlung ist bei Google das größte Problem“, sagt Lenz Queckenstedt vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Und das werde durch eine Zerschlagung nicht unbedingt gelöst. Im Zweifelsfall holten sich die einzelnen Dienste von den Nutzern das Einverständnis, die Daten weiterzugeben. Mehr bringen könne hier die geplante Datenschutzgrundverordnung der EU.

Berichten zufolge ist die EU-Kommission in weiteren Bereichen tätig: So soll die gerade abgelöste Kommission begonnen haben, einen eventuellen Missbrauch der Marktmacht bei Googles Smartphone-Betriebssystem Android zu untersuchen – etwa ob Herstellern vorgeschrieben wird, Google-Dienste vor alternativen Angeboten zu bevorzugen. Auch wegen seiner Steuerpolitik steht der Konzern immer wieder in der Kritik.

Verbraucherschützer Queckenstedt fordert daher eine Diskussion über Wettbewerbsaspekte hinaus. Es gebe eine Reihe von Möglichkeiten, die Marktmacht zu dämpfen und die Angebotsvielfalt für Verbraucher zu stärken. Eine Änderung des Besteuerungssystems etwa. Oder die Förderung von quelloffenen Systemen, auf deren Basis Entwickler leichter alternative Suchmaschinen aufbauen können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen