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„Deaktiviertes Wissen“

KUNST Die Silent University erschließt den Wissensschatz akademischer Flüchtlinge

Sophie Goltz

■ 38, die bundesweit erste Stadtkuratorin war, ehe sie nach Hamburg kam, beim Neuen Berliner Kunstverein.

taz: Frau Goltz, die „Silent University“ macht Flüchtlinge zu Dozenten. Was ist daran „silent“, also still?

Sophie Goltz: Es geht um ein Wissen, das zum Schweigen gebracht, deaktiviert wurde.

Wer unterrichtet – und wen?

Es handelt sich um Menschen mit akademischer und beruflicher Ausbildung, die einen Flüchtlingsstatus haben und daher nicht arbeiten können. Als Studenten können Flüchtlinge teilnehmen, die wegen ihres Status nicht an die Universität gehen können, aber auch jeder Andere. Die Vorträge sind kostenlos.

Eine Volkshochschule, die von Flüchtlingen bestritten wird?

Volkshochschule würde ich das nicht nennen. Es ist eine Wissensplattform von Flüchtlingen für Flüchtlinge. Teilnehmen kann jeder schon dadurch, dass er sich auf der Webseite als Studierender eintragen und die Vorträge aus den anderen Städten verfolgen kann, wo es Silent Universities gibt, etwa Stockholm.

Werden die Dozenten bezahlt?

Ja, natürlich.

Aus welchem Etat?

Wir werden vom Elbkulturfonds und der Kulturstiftung des Bundes gefördert.

Auf welchem Niveau bewegt sich die Bezahlung?

250 Euro pro Vortrag. Das entspricht gängigen Honoraren für Vorträge innerhalb kultureller Institutionen.

Auf welche Dauer hin ist das Projekt angelegt?

Die Silent University hat in dem Sinne kein Ende. Das Projekt wird für 18 Monate betreut. Aber im Grund geht es nicht darum, dass es einen Anfang und ein Ende gibt und dann eine Auswertung, sondern, dass es sich als Forum etabliert.

Bräuchte das nicht eine Struktur?

Es könnte sich selbst organisieren. In unserem Fall wird das Projekt initiiert von Curating the City, der Stadtkuratorin, der W 3 und Zusammen Leben und Arbeiten. Diese vier Partner schaffen eine Plattform, um damit anzufangen in Hamburg. Sie wären auch bereit, das in Zukunft weiterzuführen.

Und was ist daran Kunst?

Die interessante Frage ist: Welche Rolle geben wir dem Künstler, der Künstlerin heute? Da hat das Projekt eine Antwort, indem es sich für gesellschaftliche Verhältnisse engagiert und verantwortlich zeigt, in der Art, in der es künstlerische und finanzielle Mittel einsetzt. Wenn man an den klassischen Kunstbegriff denkt, ist das eine Provokation. INTERVIEW: KNÖ

Präsentation: 19 Uhr, W 3, Nernstweg 32–34 Internet: thesilentuniversity.org

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