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BARBARA OERTEL ÜBER DIE VERURTEILUNG EINES BLOGGERS IN RUSSLANDSchuldig wegen Kritik

Die Willkürjustiz geht weiter – aller Kritik aus dem Westen zum Trotz

Mit „nur“ dreieinhalb Jahren auf Bewährung wegen Unterschlagung scheint der regierungskritische Blogger Alexei Nawalny, den der Staatsanwalt am liebsten zehn Jahre hinter Gitter gebracht hätte, noch einmal glimpflich davongekommen zu sein. Von wegen! Der sogenannte Betrugsprozess und der Urteilsspruch eines Moskauer Gerichts vom Dienstag gegen Nawalny und seinen Bruder Oleg sind nur ein weiteres Beispiel für eine Willkürjustiz, die, aller Kritik aus dem Westen zum Trotz, unter Staatschef Wladimir Putin in Russland an der Tagesordnung ist.

Dabei folgen diese Schmierenkomödien, die durch die Verurteilung von Oleg Nawalny zu einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe auch vor Sippenhaft nicht mehr zurückschrecken, stets demselben Muster: abstruse Anklagen und ein Strafmaßmaß, das der kremlhörigen Justiz von ganz oben souffliert wird. Das Ziel: Gegner des Regimes mundtot zu machen.

Ob diese Rechnung im Falle von Alexei Nawalny ganz aufgehen wird, ist jedoch fraglich. Durch eine Verurteilung 2013 ist der 38-Jährige, der unter Hausarrest steht, ohnehin schon in seinen Möglichkeiten, sich politisch zu betätigen, eingeschränkt. Das hat ihn aber nicht davon abgehalten, weiter seine Stimme zu erheben.

Aufschlussreich wird sein, wie viele Menschen Nawalnys Aufruf folgen und am Dienstagabend in Moskau auf die Straße gehen werden. Solche Proteste hatte die Regierung durch die Vorverlegung der Urteilsverkündung ja gerade zu vermeiden versucht. Anlass zu öffentlichen Unmutsbekundungen gibt es, nicht zuletzt wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage einer wachsenden Anzahl von Russen, jedenfalls zur Genüge. Das weiß auch Putin, der auf derartige „Provokationen“ mit gewohnter Härte regieren dürfte. Und so wird es auch 2015 für Anhänger der Opposition in Russland nicht gemütlicher werden.

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