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Bremsklötze für Bürgerprojekte

STROM Eine Bremer Genossenschaft will die Energiewende von unten voranbringen und setzt auch auf das Crowdfunding, um Solar- und Windkraftprojekte zu realisieren. Aber es ist schwer, diesen Strom zu vermarkten

Es ist paradox: Während die Genossenschaft als partizipative Unternehmensform in der Gesellschaft enorme Sympathien genießt, leidet ausgerechnet sie am stärksten unter den energiepolitischen Beschlüssen des vergangenen Jahres

VON BERNWARD JANZING

Jetzt erst recht: In Bremen will eine Bürgergenossenschaft die Energiewende weiter voranbringen – trotz aller politischen Widrigkeiten. Von den „riesigen energierechtlichen Stolpersteinen und Bremsklötzen durch die Bundesregierung“ ließen sie sich nicht stoppen, haben sie selbstbewusst verkündet: „Wir machen die Energiewende von unten weiter.“

Allerdings seien solche Bürgerprojekte inzwischen ziemlich komplex, sagt Klaus Prietzel, Aufsichtsratsvorsitzender der Bürger Energie Bremen eG (Begeno). Es ist paradox: Während in der Gesellschaft die Genossenschaft als partizipative Unternehmensform enorme Sympathien genießt, leidet ausgerechnet sie am stärksten unter den energiepolitischen Beschlüssen des vergangenen Jahres.

Wer heute Photovoltaik-Anlagen realisieren möchte, merkt das besonders. Während Anlagen auf dem eigenen Dach nach wie vor sehr attraktiv sein können, und auch Solarmodule auf Firmendächern wirtschaftlich sind und ohne all zu viel Papierkram realisiert werden können, trifft es die Genossenschaften mit voller Wucht. Zum einen ist für die Planer schwer abzusehen, ob sie mit ihrem Geschäft unter das neue Kapitalanlagegesetzbuch fallen, was dann aufgrund der enormen Berichtspflichten gegenüber der Finanzaufsicht das Ende eines Projektes bedeuten kann. Zum anderen tun sich Genossenschaften mit der Vermarktung ihres Stroms schwerer als etwa Energieversorger.

Und wenn für künftige Projekte, wie im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vorgesehen, gar Ausschreibungen erfolgen müssen, können ehrenamtlich tätige Genossenschaften die Vermarktung von Strom in der Regel nicht mehr leisten. Zwar heißt es in der 2014er-Novelle des EEG auch, es solle „die Akteursvielfalt bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien erhalten bleiben“, was im Klartext bedeutet, dass auch Bürgergenossenschaften weiterhin Projekte umsetzen können sollen. „Die Bundesregierung hat es geschafft, die Energiewende auszubremsen“ sagt Prietzel. Trotzdem kapituliert die Begeno nicht: „Wir versuchen zu machen, was in dem aktuellen Rahmen möglich ist, und hoffen auf bessere Bedingungen nach der nächsten EEG-Novelle“, sagt Prietzel.

Zwei Solarprojekte hat die Genossenschaft derzeit in Arbeit: Eine 30-Kilowatt-Anlage auf der Grundschule Uphusen in Achim und eine 130-Kilowatt-Anlage auf einem Gewerbedach in Hemelingen. Früher waren solche Projekte einfach: Man speiste den Strom ins Netz und bekam eine definierte Vergütung. Diese Vergütung gibt es zwar immer noch, aber sie reicht nicht mehr, um die Investitionen zu finanzieren. Attraktiv sind Solarstromanlagen heute alleine durch den Eigenverbrauch. Schließlich ist der Strom vom Dach bereits deutlich billiger als der konventionelle Strom aus der Steckdose.

Im Privathaus kann man diesen Preisvorteil problemlos nutzen: Etwa ein Drittel des Stromverbrauchs fällt an, wenn die Sonne scheint – so lässt sich die Stromrechnung senken. Der Überschussstrom geht ins Netz und bringt auch noch eine Vergütung, doch erst der eingesparte Netzstrom bringt die Rendite.

Ähnlich müssen inzwischen auch Genossenschaften rechnen, wenn sie Photovoltaik-Anlagen planen. „Je höher der Eigenverbrauch ist, desto eher lohnt sich die Anlage“, sagt Prietzel. Also kommt es nicht mehr alleine auf die Eignung des Daches an, sondern auch auf den Stromverbraucher darunter: Je besser der Eigenbedarf dem Gang der Sonne entspricht, umso attraktiver ist das Projekt. Bei der Schulanlage rechnet die Bremer Genossenschaft mit einer Eigenverbrauchsquote von rund 35 Prozent, die Firmenanlage könnte auf rund 68 Prozent kommen.

Anders als im Einfamilienhaus braucht man aber in diesen Fällen Verträge mit den Stromabnehmern, und die sind diffizil. Hier hat die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) schon gute Vorarbeit geleistet: „Wir orientieren uns an einem Modell, das die DGS Franken entwickelt hat“, sagt Prietzel.

Während die Dachanlagen alleine der Stromerzeugung dienen, planen die Bremer außerdem ein Solarprojekt, das einen zusätzlichen Nutzen bringen soll – nämlich Grün-, und Spielflächen für die Stadt. Die Begeno will auf einer fast sieben Hektar großen Bahn-Brache im Stadtteil Findorff nicht nur einen Solarpark in Bürgerhand errichten, sondern die Flächen zugleich zu Begegnungsflächen für die angrenzenden Stadtteile entwickeln. „Wir verhandeln derzeit mit Vertretern der Deutschen Bahn über die Nutzung der Fläche“, sagt Prietzel.

Für die Finanzierung der Anlage gibt es neben dem klassischen Weg über Genossenschaftsanteile die Idee des Crowdfundings. Dann, so die Idee, steigen die Bürger nicht erst mit Beträgen ab 1.000 Euro und mit dem Ziel einer Rendite ein. Sondern es bringen möglichst viele Anwohner jeweils kleinere Beträge ein, weil sie den Wert der neuen Grünflächen schätzen. In diesem Fall erzielen die Geldgeber also vor allem eine nichtmaterielle Rendite.

Eine neue Herausforderung ist in jedem Fall der Verkauf des Stroms, denn der Eigenverbrauch fällt flach, weil es keinen Verbraucher vor Ort gibt. Also muss der Strom vermarktet werden. Diese Dienstleistung übernehmen zwar zunehmend die etablierten Ökostromanbieter, doch das Metier ist derzeit noch kompliziert: „Wir hoffen auf Vereinfachungen in einem EEG 3.0“ sagt Prietzel.

Die Begeno plant auch noch Windräder – die ersten Bürgerwindräder in Bremen überhaupt. Ein möglicher Standort befindet sich nahe der Universität, wo ein Teil des Stroms direkt an Verbraucher vor Ort verkauft werden soll, was bei Windstrom bislang eher selten ist. Ein zweiter Standort liegt in einem Gewerbegebiet an der Autobahn.

So bringt die Genossenschaft mit aktuell 50 Mitgliedern derzeit viel Vorleistung. Sie hat die Zahl ihrer Genossen für den Anfang gedeckelt, bis wirklich Geld nötig ist für den Bau der Projekte. Bisher arbeite man ehrenamtlich, sagt Prietzel, doch irgendwann werde das nicht mehr gehen, man wolle sich schließlich weiter professionalisieren. Viele weitere Projekte sollen entwickelt werden. „Alleine für die bisher geplanten Anlagen würde sich der Aufwand, den wir gerade betreiben, nicht lohnen“, sagt er. Ein wichtiges Ziel: Künftig will die Begeno auch auf Mehrfamilienhäusern und mit Wohnungsbaugenossenschaften Photovoltaik-Projekte realisieren – damit auch Mieter in Zukunft den günstigen Solarstrom vom eigenen Dach nutzen können.

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