: Ein Image- und Wirtschaftsfaktor
FASHION WEEK Es gibt keinen größeren Modemessenstandort in Europa. In Berlin arbeiten 800 junge Modemacher. Ihnen fehlt es nicht an Talent – wohl aber an fachkaufmännischem Gespür
■ Findet zweimal jährlich statt, diesmal vom 19. bis 23. Januar. Einkäufer, Fachbesucher, Modefans und Medienvertreter treffen aufeinander, es gibt Shows und Awards, Fachmessen, Ausstellungen und Offsite-Events.
■ Highlights sind laut Veranstalter die Modemessen PREMIUM Exhibitions und PANORAMA sowie die Schauen der Mercedes-Benz Fashion Week Berlin; Letztere findet am Brandenburger Tor statt – Achtung: Straßensperrungen!
■ Die Fashion Week gibt sich erneut Grün – mit nachhaltiger Mode verschiedener Labels. Mit dabei sind die Fachmessen GREEN-Showroom, diesmal zusammen mit der Ethical Fashion Show sowie den Schauen von Lavera Showfloor.
■ Wermutstropfen: Die Sports- und Streat-Wear-Messe „Bread and Butter“ findet diesmal nur als kleines „Street“-Event statt. Termine und Orte: www.fashion-week-berlin.com (heg)
VON NINA APIN
Von Montag an wird die Stadt wieder zur Kulisse für das Schaulaufen der Modebranche: Designer, Einkäufer, Fachpresse und allerlei Prominenz tummeln sich auf der Mercedes-Benz Fashion Week, unter deren Dach sich zahlreiche Fachmessen und Events gruppieren.
Die Frage, die das Fachpublikum umtreibt, lautet: Was trägt Berlin im Sommer 2015?
Dass das nicht nur die Fachleute angeht, zeigen die Zahlen: Rund 200.000 Teilnehmer werden zu zehn Messe- und Modeschauplattformen und rund 70 Schauen von mehr als 3.000 Marken erwartet. Damit ist Berlin der größte Modemessenstandort Europas. „Die Fashion Week ist ein wichtiger Image- und Wirtschaftsfaktor für Berlin“, sagt Cornelia Yzer, Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung. Sie erwartet, dass die Fashion Week rund 120 Millionen Euro zusätzliche Wirtschaftskraft in die Stadt bringt.
Der Senat lässt sich die Förderung des Modestandorts Berlin auch einiges kosten: Seit 2007 investiert er rund 1 Million Euro jährlich in die Förderung von Shows Berliner Designer auf der Modemesse, in Newcomer-Wettbewerbe wie „Start your Fashion Business“, die Auslandspräsentationen des Berlin Showroom oder in Coachingangebote für Modelabels. Durchaus mit Erfolg: Der jährliche Umsatz der Modebranche ist von 2009 bis 2012 um über 62 Prozent auf rund 3 Milliarden Euro gestiegen. Inzwischen sind rund 19.200 Erwerbstätige und 3.500 Unternehmen im Modebereich tätig. Damit hat Berlin die höchste Dichte an Modeunternehmen in ganz Deutschland.
Viele Auszeichnungen und Preise gingen in den letzten Jahren an Berliner Newcomer-Labels wie Bobby Kolade, Augustin Teboul oder Perret Schaad. Von 33 Designern, die auf der aktuellen Mercedes-Benz Fashion Week ihre Kollektionen präsentieren, haben 19 ihren Sitz in Berlin. „Die Startbedingungen für Designer sind günstig in der Stadt: Es gibt hier sehr gute Ausbildungsmöglichkeiten, eine lebendige Szene und vergleichsweise moderate Ateliermieten“, sagt Louisa Makowsky, Marketingleiterin des französischen Edelkaufhauses Galeries Lafayette, das junge Modelabels mit einer eigenen Präsentationsfläche namens „Labo Mode“ fördert.
Wer auserwählt wurde, sich auf der zweiten Etage in Nachbarschaft großer Marken darzustellen, bekommt nicht nur eine Plattform, sondern auch Beratung in Sachen Marketing. „Die betriebswirtschaftliche Seite des Business ist nicht zu unterschätzen“, sagt Marketingfachfrau Makowsky. „Neben innovativen Entwürfen müssen Designer auch ein solides Businesskonzept entwickeln, eine Kostenanalyse aufstellen und aktive Markenkommunikation betreiben, um langfristig auf dem Markt bestehen zu können.“
An der kaufmännischen Substanz aber hapert es in Berlin noch: Die Konkurrenz unter den schätzungsweise 800 jungen Modemachern ist riesig, die Kaufkraft im Vergleich zu anderen Großstädten dagegen gering. Nur wenige Berliner Modemacher wie Andreas Murkudis oder Michael Michalsky schaffen es, sich langfristig in der Stadt zu etablieren.
So manchem Label geht nach anfänglichem Erfolg schnell die Luft aus: Vor wenigen Jahren noch heiß gehandelte Marken wie Pulver, Sisi Wasabi oder Macqua mussten inzwischen Insolvenz anmelden oder lösten sich nach dem Streit mit einem Investor auf. „Berlin ist ein hartes Pflaster“, bestätigt Lizzie Delf, Pressesprecherin der Modeschule Esmod, einer von neun Modeschulen in der Stadt, die mit Labels wie Kaviar Gauche, Glaw oder Maria Hoermanseder in den letzten Jahren viele Stars hervorgebracht hat. Die Berliner Konsumenten seien wenig markenorientiert und extrem kritisch.
Die Jungdesigner dagegen wagten sich oft zu früh auf den Markt, sagt Lizzie Delf: „Viele wollen gleich nach dem Abschluss mit dem eigenen Label durchstarten. Doch es ist klüger, erst Erfahrung in der Industrie zu sammeln und den Markt gründlich kennenzulernen.“
Mit Hospitanzen bei großen Firmen und Praxiskursen in Betriebswirtschaftslehre will die Esmod ihre Absolventen auf den rauen Markt vorbereiten. Außerdem wird den angehenden Designern geraten, in Teams zusammenzuarbeiten und sich Sponsoren zu suchen, um kräftezehrende Selbstausbeutung zu vermeiden.
Immerhin, für bestimmte Nischen der Modewelt ist Berlin „the place to be“, auch im Verkauf: Nachhaltige, also fair und ökologisch produzierte Mode ist hier Trend wie nirgendwo sonst. Das liege, so ätzte das amerikanische Fachblatt Business of Fashion, eben in der Natur der Deutschen: Wenn sie mal Geld für Mode ausgäben, dann wollten sie damit bloß nicht auffallen. Sondern lieber ihr Verantwortungsbewusstsein für die Welt demonstrieren.
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