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„Im Internet wird mehr kritisiert als in Zeitungen. Aber kein Schwein interessiert das.“ Warum Michael Ringier an Printmedien glaubt

Zeitung als Investment: Die Geschichte einer Verlegerfamilie

Der Verleger: Michael Ringier aus Zofingen in der Schweiz ist 58 Jahre alt. Mit 24 Jahren wurde er in Deutschland Boulevardjournalist, später Zeitschriftenredakteur. Mit 34 stieg er ins Familienunternehmen ein. Heute ist er dort der starke Mann.

Die Familie: Der Pfarrerssohn Johann Rudolf Ringier gründet 1833 in Zofingen eine Buckdruckerei. Sein Enkel Paul August entwickelt eine neuartige Druckmaschine, verlegt in den Zwanzigerjahren die ersten Illustrierten und seit den Fünfzigerjahren die erste Boulevardzeitung der Schweiz. Heute ist das Haus immer noch in der Hand der Ringiers, die Aktien gehören Michael und seinen zwei Schwestern.

Die Größe: Ringier beschäftigt über 6.800 Menschen. Der bekannteste von ihnen ist der ehemalige deutsche Kanzler Gerhard Schröder, den sich Ringier als Berater und Reisebegleiter leistet. Das Unternehmen macht knapp 852 Millionen Euro Umsatz. Größer als Dumont aus Köln mit knapp 557 Millionen, kleiner als Springer mit über 2 Milliarden. Ringiers Gewinn nach Steuern liegt heute bei 43 Millionen Euro.

Die Medien: Ringier hat in der Schweiz fast alles. Die Boulevardzeitung Blick, die Gratiszeitung heute, die Kochzeitschrift Betty Bossi, das Frauenmagazin Bolero, das Nachrichtenmagazin L‘Hebdo, die Internetplattform cash.ch. Er macht Fernsehen und ein bisschen Radio. Er ist der Größte in der Schweiz. Jedoch gehören Neue Zürcher Zeitung, Weltwoche, Tages-Anzeiger bis heute anderen.

Der Weg nach Osten: 1990 investierte Ringier 50.000 Franken Kleingeld in Tschechien. Eine Wochenzeitung für die neue Zeit. Schon nach drei Monaten schrieb das Blatt schwarze Zahlen. Der Name: Profit. So macht er es seitdem in fast ganz Osteuropa. Rumänien, Serbien, Slowakei, Tschechien, Ungarn, Ukraine. Schrille Boulevardblätter, ernste Tageszeitungen, bunte Sportmagazine. Er ist schon lange in Vietnam und China. In Deutschland verlegt er das politische Monatsmagazin Cicero und das Kunstmagazin Monopol. Profit in Tschechien gibt es heute nicht mehr. Georg Löwisch

taz: Herr Ringier, wie ist es Gott zu sein?

Ringier: Keine Ahnung. Ich bin ja nicht mal Jesus hier. Ich bin Verleger.

taz: Sie haben mal gesagt, ein Chefredakteur könne schließlich nicht Gott sein. Und einer in einem Verlagsimperium muss es doch sein.

Ich habe gesagt, es gibt niemanden, in keiner Firma der Welt, der nicht noch irgendeinen Vorgesetzten hat. Und Chefredakteure benehmen sich oft, als ob das für sie nicht gilt. Selbst ich habe ja noch eine andere Instanz: Den Aufsichtsrat und die Mitaktionäre.

taz: Wie stark mischen Sie sich in die redaktionelle Arbeit ein?

Journalismus ist etwas, was immer wieder in Frage gestellt werden muss. Diese Kultur haben wir hier im Haus. Wir diskutieren.

taz: Rupert Murdoch ist ein Verleger, der sich auch nicht vornehm aus den Redaktionen heraushält. Gerade hat er das Wallstreet Journal gekauft und viele Journalisten fürchten um die Unabhängigkeit der Redaktion. Fühlen Sie sich dem Kollegen Murdoch verwandt?

Ach, wir sind schon sehr unterschiedlich. Aber für mich heißt interne Pressefreiheit nicht, dass die Journalisten tun und lassen können, was sie wollen. Journalismus muss sich an Maßstäbe halten. Wie weit darf eine Schlagzeile gehen? Das ist bei Boulevardzeitungen eine Frage, die sich praktisch jeden Tag stellt. Ich diskutiere bei den grundsätzlichen Fragen mit, manchmal auch ganz spontan.

taz: Werden Sie privat auf die Inhalte Ihrer Medien angesprochen?

Das passiert schon mal. In der Umkleidekabine vom Tennis- oder Golfklub oder wenn ich im Restaurant sitze, kommt plötzlich einer auf mich zu und fängt eine Diskussion an.

taz: Ihr Boulevard-Flaggschiff ist der Blick . Ihrer Mutter ist mal auf einem Empfang gesagt worden, der Blick -Cocktail sei „ein Glas Wasser mit einem Scheißdreck drin“.

Das war eine andere Zeit. Solche Vorfälle haben wahrscheinlich dazu beigetragen, dass der Blick das wurde, was er ist.

taz: Ein Schweizer pc-Boulevard mit christlich-sozialer Ausrichtung?

Was soll das denn sein? Wir versuchen einen Boulevardjournalismus zu machen, der die Schweizer anspricht. Wenn wir jemanden, der zehn, zwanzig Millionen im Jahr verdient mal als Abzocker beschreiben, hat das mit Links oder Rechts nichts zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand. Wenn wir ab und zu als linker Verlag apostrophiert werden, amüsiert mich das.

taz: Haben Sie ein Problem damit, als links zu gelten?

Ich möchte nicht in einer Schublade stecken. Journalismus muss überraschen. Eine Massenzeitung darf sich niemals in ein Links-rechts-Schema zwängen lassen. Ich glaube auch, die Leute haben langsam die Schnauze voll von missionarischen Journalismus.

taz: Warum betreiben Sie in der Schweiz einen eher sanften Boulevardjournalismus und lassen es in Osteuropa richtig krachen?

Die Gesellschaften in Rumänien oder Tschechien sind in einem anderen Zustand als die schweizerische. Eine Boulevardzeitung ist auch immer Abbild der Gesellschaft. Die Schweiz ist eine Konsensgesellschaft. Wenn wir den Blick mit der Ansprache der Bild-Zeitung oder der Sun machen würden, wäre er sofort tot.

taz: Mögen Sie den Boulevard?

Ja, das ist für mich die spannendste Art von Journalismus. Nirgendwo ist man so nahe bei den Menschen. Es geht um Bilder, um Emotionen, um Pointiertheit. Der Boulevard wird oft unterschätzt.

taz: Ist denn der Boulevard die Zukunft der Zeitung?

Es gibt nicht eine Zukunft für alle, sondern es gibt verschiedene Zukunftsszenarien für verschiedene Blätter. Eine Gratiszeitung wird eine andere Zukunft haben als eine Boulevardzeitung. Die Neue Zürcher Zeitung und die FAZ und die taz haben wiederum eine andere Zukunft. Es gibt nicht den einen Entwurf. Das wäre auch stinklangweilig.

taz: 1833 haben Ihre Vorfahren in Zofingen im Aargau angefangen, Buchstaben auf Papier zu drucken. Wie haben die sich damals die Zukunft der Zeitung vorgestellt?

Wir waren damals ja nur Drucker und haben keine Funktion als Verleger gehabt. Das kam erst in der dritten Generation durch meinen Großvater. Er hat eine Tiefdruckmaschine erfunden. Mit der Maschine konnte er preiswert hohe Auflagen herstellen. Dann brauchte mein Großvater Futter für die Maschine und da ist er ins Zeitschriftengeschäft eingestiegen.

taz: Muss ein erfolgreicher Verleger etwas erfinden oder muss er möglichst schnell auf neue Entwicklungen reagieren?

Beides funktioniert. Es gibt Firmen wie unsere, die haben relativ viel Innovation, es gibt aber auch andere, die haben immer nur gekauft.

taz: Müssen Sie nicht auch erfinderisch sein, weil Ihnen für Einkaufstouren das dicke Portemonnaie fehlt?

Wir kommen aus einem kleinen Markt. Wir können nicht sagen okay, jetzt schauen wir uns mal Rumänien an und wenn das läuft, nehmen wir einen Scheck über 200 Millionen Euro und schlagen zu. Das kann vielleicht Springer machen oder die WAZ-Gruppe. Wir müssen pionierhaftere Dinge tun. Wir müssen uns weiter hinaus wagen.

taz: Was ist für Sie der größte Unterschied zwischen einem Unternehmen wie Ihrem und einer Firma wie der Mecom von David Montgomery, der die Berliner Zeitung gehört.

Ein Unterschied ist die zeitliche Ausrichtung. Wenn sie schon 175 Jahre am Markt sind, haben sie eine andere Zeitplanung als jemand, der vor zwei Jahren begonnen hat. Auch die inhaltliche Ausrichtung ist eine andere, weil man in einer journalistischen Tradition lebt. Wenn ein Finanzkonglomerat Zeitungen zusammenkauft, hat es in der Regel mit Buchstaben nicht so viel im Sinn, sondern eher mit Zahlen. Bei uns kommen zuerst die Buchstaben und dann die Zahlen.

taz: Wie langfristig muss man im Zeitungswesen denken?

So lange oben jemand steht, der sich langfristig mit etwas identifizieren kann, ist das ein Vorteil. Wer führt heute eine Firma noch 15, 20 Jahre lang? Das gibt es eigentlich gar nicht mehr. Dabei schafft das doch Stabilität und Identifikation.

taz: Wird es in Zukunft möglich sein, Informationen an Leser zu verkaufen? Und nicht nur Reichweite an die Werbung treibende Wirtschaft?

Unser Geschäftsmodell hat immer darauf basiert, dass wir zuerst Leser hatten und dann auch Anzeigenkunden fanden. Wenn Sie als Ausgangspunkt bloß Anzeigenkunden haben, werden sie wahrscheinlich keinen Erfolg haben.

taz: Aber auch Sie haben Gratiszeitungen und Internet-Angebote. Da verkaufen Sie ja nicht mehr die Zeitung an die Leser, sondern nur noch die Leser an die Anzeigenkunden. Stirbt das Grundmodell Informationen gegen Geld aus?

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass sie Informationen verkaufen können - und müssen. Sonst können Sie die Inhalte gar nicht refinanzieren. Es werden weiter viele Menschen relativ viel Geld für Informationen ausgeben. Süddeutsche, FAZ, Welt, taz - wenn sie alles zusammenzählen, sind das immer noch ordentlich viele Leute. Und es gibt kein anderes Medium, das die Vorteile der Zeitung besitzt.

taz: Welche?

Im Internet finde ich ja meist nur, was ich suche. In der Zeitung finde ich Dinge, von denen ich gar nicht wusste, dass sie mich interessieren. Wenn ich so eine Doppelseite mit dem Auge überfliege, habe ich innerhalb von Sekundenbruchteilen heraus gepickt, was ich lesen will. Das kann etwas sein, was ich sonst nicht gefunden hätte, weil ich gar nicht wusste, dass es das gibt. Außerdem ist das Lesen auf Papier wesentlich angenehmer als auf dem Bildschirmformat. Das kann keine Technologie der Welt ändern.

taz: Sie glauben an die Zeitung aus Papier?

Unbedingt. Sogar die Computerfreaks drucken doch dauernd irgendwas aus. Selbst meine Töchter lesen doch nicht am Computer. Die mailen sich, die schauen sich Videos an. Aber wenn sie wirklich was lesen wollen, muss es gedruckt sein. Dann ist die Zeitung natürlich auch für den Anzeigenkunden ein wunderbares Modell. Wir können dem Konsumenten im gedruckten Medium Anzeigen unterschieben, ohne dass es ihn stört.

taz: Dafür können Sie im Internet genauer werben. Die Autoanzeige bekommt jemand aufs Auge gedrückt, der gerade nach Autos sucht.

Ja, wunderbar. Nur, ich muss es doch mit der Werbung genauso machen, wie mit den Artikeln: Leute ansprechen, die gar nicht gewusst haben, dass sie das interessiert. Ich möchte doch Leute kriegen, die gar nicht daran denken, ein Auto zu kaufen. Und plötzlich sehen die eins, das ihnen gefällt.

taz: Kann das Internet Ihren Anzeigenabteilungen also egal sein?

Natürlich nicht, aber gedruckte Zeitungen und Zeitschriften werden ihre Vorteile behaupten. Aber wir haben das Monopol der Kommunikation verloren, zur großen Freude der Industrie. Vor dem Internet konnte Firmen wie BMW nicht selber mit den Kunden in Kontakt treten, die brauchten uns. Heute können die selber mit Interessierten und Kunden kommunizieren. Wir haben auch die Hoheit über den Journalismus verloren. Es gibt Blogs, es gibt alles Mögliche, von Leser-Handy-Fotos bis zu sonst was. Auf der anderen Seite erhöht das unsere journalistische Verantwortung.

taz: Der Auftrag einer freien Presse ist Kritik und Kontrolle. Kann das die Zeitung in Zukunft noch leisten?

Da hat sie ihren Platz und den muss sie auch halten. Das könnte auch das Fernsehen leisten, nur anscheinend ist es da nicht gewünscht. Im Internet wird zwar wahrscheinlich mehr kritisiert als in allen Zeitungen zusammen, aber kein Schwein interessiert das. Da gibt es Blogs und persönliche Homepages und weiß der Teufel was. Das findet aber niemand. Und deswegen werden wohl in Zukunft die Zeitung und die Zeitschrift diesen Platz stark für sich beanspruchen.

taz: Noch entscheiden Zeitungsmacher, was die Leute wann zu interessieren hat. Ist das ein Zukunftsmodell?

Na ja gut, es gibt das Internet. Aber es dauert zu lange, bis Sie sich dort alles zusammen gesucht haben und dann sollten sie es auch noch an diesem unsäglich doofen Bildschirm lesen. Da hilft die Zeitung und sagt: Das ist heute für dich wichtig.

taz: Warum soll der Leser sich nicht selber seine Informationen zusammenstellen?

Das hat noch nie wirklich funktioniert. Ich höre das seit 20 Jahren, aber durchgesetzt hat es sich noch nicht. Das ist ein ziemlich alter Hut.

taz: Welche Inhalte werden die Zeitungen in Zukunft bringen?

Eines ist schon klar: Wenn sie etwas verkaufen wollen, darf es das anderswo nicht gratis geben. Das Internet bietet eine Fülle von kostenlosen Informationen. Alles, was bei Ihnen in der taz steht oder bei uns, muss mehr oder weniger exklusiv sein. Das andere, was man eh überall haben kann, müssen wir gnadenlos rausräumen.

taz: Wer bezahlt die ganzen exklusiv recherchierten Inhalte?

Das genau ist das Problem. Das haben wir gerade gesehen bei unserer Wirtschaftszeitung Cash. Die Leser waren extrem zufrieden, die Redaktion hat ein gutes Blatt gemacht. Aber wir konnten es nicht mehr über die Anzeigen refinanzieren. Und darüber mache ich mir gerade in kleinen Märkten wie der Schweiz Sorgen.

taz: Exklusives anbieten - wenn das das wirkliche Geschäft der Zeitung ist, was ist dann mit den Gemüseschälern, die Sie über ihr Kochmagazin Betty Bossi verkaufen?

Der ist sehr exklusiv. Natürlich ist die redaktioneller Leistung von Betti Bossi die Voraussetzung. Alleine können Sie den Gemüseschäler nicht verkaufen. Aber insgesamt ist Betty Bossi ein wunderbares Geschäft. Ein Geschäft, das wächst. Das ist auch die Zukunft: komplexere Lösungen anzubieten. Nehmen Sie das Thema Gesundheit. Da haben wir mit einer Fernsehsendung begonnen. Dann kam eine Zeitschrift dazu und ein riesiges Internetangebot und schließlich haben wir ein Schiff gechartert mit einer Fülle von medizinischen Angeboten - alle von renomierten Kliniken. Da melden sich tausend Leute an und innerhalb kürzester Zeit ist das Schiff ausgebucht. Wunderbar.

taz: Verzetteln Sie sich nicht, wenn Sie Ihre Kernkompetenz verlassen?

Die Basis ist immer noch das klassische Verlagsgeschäft. Aber wir haben es ausgedehnt. Wir verkaufen ja auch Ravioli und Orangensaft unter der Marke Betty Bossi. Nur machen wir das nicht selbst, sondern unser Partner, die Handelskette Coop.

taz: Bekommen Sie als Verlag kein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn Sie einerseits einen Geschäftspartner haben, über den Sie andererseits regelmäßig berichten?

Fragen Sie mal den Chef von Coop, ob er von uns besonders freundlich behandelt wird. Er hat einen ganz anderen Eindruck. Ich schließe aber nicht aus, dass Journalisten plötzlich sagen, ja Mensch, das ist ja ein Partner von Ringier, machen wir lieber eine andere Geschichte. Nur, wir haben ganz wenige Partner. Und die anderen Verlage würden jederzeit gerne berichten, wenn wir jemanden schonen.

taz: Gleichzeitig dehnen Sie Ihr Kerngeschäft auf andere Länder aus, zum Beispiel nach China.

Wir müssen in solchen Märkten Pionier sein, weil wir nicht so viel Geld haben, wie die ganz Großen in der Branche. Wenn ich in ein paar Jahren in China etwas kaufen will, wird das wahrscheinlich extrem teuer. Wir sind aber schon über zehn Jahre da. Die Idee für China wurde aus der Erfahrung in Osteuropa geboren. Wir haben gesehen, dass wir große Chancen in Märkten haben, die sich völlig verändern. In unseren osteuropäischen Märkten sind wir heute überall die Nummer eins oder zwei. Deshalb haben wir uns den chinesischen Markt angeschaut, obwohl man dort als Verleger keine absolut optimale Ausgangslage hat. In China gibt es in unserer Branche weder Eigentum noch Pressefreiheit.

taz: Wenn es keine Pressefreiheit gibt, macht man sich zum Komplizen des Systems.

Nein, überhaupt nicht. Wir machen Kochzeitschriften, einen City-Guide, ein Inflight-Magazin für die größte chinesische Fluggesellschaft. Da ist die Frage der Pressefreiheit nicht existent. Ob ich nun Frühlingsröllchen so oder so fotografiere, ist auch in China politisch unbedenklich. Ich weiche diesen Fragen aus.

taz: Das heißt, in Ihrem City-Guide war nie ein Foto von Staatschef Hu-Jin Tao, wie er einen Panda-Bären mit Bambusblättern füttert?

Nicht dass ich wüsste. Das wäre aber wahrscheinlich unbedenklich.

taz: Wir haben auf ein Foto angespielt, das die Schweizer Illustrierte Zeitung aus dem Ringier-Verlag 1933 mit der Bildunterschrift druckte: “Reichskanzler Hitler ist großer Tierfreund. Die Fütterung der jungen Rehe scheint ihm ganz besonders Freude zu bereiten.“

Ja, das war in der Schweizer Illustrierten.

taz: Das war doch die Lektion, die ihr Großvater gelernt hat in dieser Zeit: Dass man gar keine komplett unpolitische Zeitschrift machen kann.

Damals war die Schweizer Illustrierte quasi das Schweizer Fernsehen. Und die große Illustrierte hatte zwangsläufig eine andere Aufgabe als meine chinesische Kochzeitschrift. Beim besten Willen könnte ich den Staatschef und den Panda-Bären in der Kochzeitung nicht unterbringen.

taz: Wann gibt es in China das nächste Ringier-Magazin?

Wir planen die erste wöchentliche Frauenzeitschrift in China. Mit einem richtig großen chinesischen Partner aus Shanghai. Das hat es bisher noch nicht gegeben. Es soll diesen Herbst losgehen. Wir beginnen nur in Shanghai, aber Shanghai ist drei Mal so groß wie die Schweiz.

taz: Eine Frauenzeitschrift kann man nicht machen, ohne ein Frauenbild und Rolemodels zu propagieren. Und das ist nicht politisch?

Gesellschaftspolitisch, ja. Aber auch die Mehrheit der deutschen Frauenzeitschriften sind doch keine politischen Vorkämpfer. Wir werden uns auf die sogenannten Servicethemen konzentrieren, Lifestyle, Wohnen, Essen, Beziehungsprobleme - genauso wie die meisten westlichen Frauenzeitschriften.

taz: Was können Sie, was die Chinesen nicht selber können?

Sie haben weniger Erfahrung als Magazinmacher. So wie Sie bei der taz ein Know-How haben, eine Tageszeitung zu machen, haben wir das auch bei den Zeitschriften. Wenn Sie dann zu jemandem kommen, der das nicht hat, merken Sie, dass Sie etwas Kostbares in der Hand halten.

taz: Gruselt Sie nicht, dass Sie das nicht lesen können, was Sie da publizieren?

Klar würde ich das gerne lesen. Ich bin natürlich in allen Ländern außer der Schweiz und Deutschland sowas wie ein amputierter Verleger.

taz: Was haben Sie sich in Deutschland vorgenommen?

Da würden wir schon gerne noch das eine oder andere machen. Wir versuchen aber unter der Flughöhe zu bleiben, in der sich die Großen bewegen.

taz: Was würde denn an den deutschen Kiosk noch passen?

Es wäre schön, wenn wir noch etwas dazu legen könnten. Aber man kann nicht exakt kalkulieren, wo die Lücke ist. Als wir Cicero gegründet haben, war das nicht die große Strategie, sondern es war die Lust daran. Jetzt sind wir nahe dran, dass Cicero sich rechnet.

taz: Wollen Sie unter der Flughöhe ihrer deutschen Kollegen bleiben, weil Sie weniger Geld haben als die?

Ich habe immer versucht, die unnötigen Kämpfe zu vermeiden. Das machen die Tiere in der Natur ja auch. Sie stürzen sich nicht sinnlos aufeinander. Ich kämpfe gern, das habe ich auch auf dem Tennisplatz immer gemacht. Aber im Geschäft kämpfe ich nur, wenn ich bessere Karten habe.

taz: Als Schweizer schauen Sie bestimmt nach Frankreich. Was halten Sie davon, dass dort branchenfremde Unternehmen die überregionalen Zeitungen beherrschen?

Ich schätze die Situation in Frankreich als noch schwieriger ein als die in Italien unter Berlusconi. Die meisten Inhalte werden in Frankreich von zwei Waffenfabrikanten hergestellt, die im Grunde völlig abhängig von der Politik sind, über die geschrieben werden soll.

taz: Ist es eher ein Wunder, dass in der Schweiz und in Deutschland die Medien fast durchweg reinen Medienunternehmen gehören?

Das hat mit der Geschichte zu tun. Die meisten Verlage sind als kleine familiäre Druckereien entstanden. Außerdem ist unsere Geschäftsbasis die Sprache. Die Sprache beschränkt den Markt, sie können nur ihr Know-How exportieren und nicht ihr fertiges Produkt. Wenn das nicht so wäre, gäbe es mehr internationale und größere Verlage.

taz: Was verhindert bisher, dass eine Schokoladenfirma oder ein Waffenfabrikant bei Ihnen anklopft?

Was interessiert die das? Die stecken ihr Geld ja auch in Branchen, von denen sie was verstehen. Und die Renditen im Mediengeschäft sind auch nicht mehr so überwältigend. Gerade in Osteuropa gibt es allerdings die politischen Investoren. Die wollen Präsident des Landes werden und glauben, sie brauchen eine Zeitung dafür. Andere kaufen ein Blatt, weil sie das als Waffe ansehen, um völlig andere wirtschaftliche oder persönliche Ziele zu erreichen.

taz: Also werden doch Fremde ins Mediengeschäft einsteigen?

Es wird Branchenfremde geben, weil das Mediengeschäft seinen eigenen Reiz hat. Es hat mit Macht zu tun oder zumindest glauben das die Leute. Als Verleger oder als Inhaber von Medien kriegen Sie andere Einladungen, als wenn Sie Schraubenzieher herstellen. Und inzwischen wird dermaßen viel Geld verdient, dass jemand sich quasi für ein Taschengeld eine eigene Zeitung leistet so wie andere einen Fußballclub.

taz: Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag?

Ich muss viel repräsentieren. Ich reise viel. Das ist sehr spannend, vor allem, wenn Herr Schröder mitfährt. Aber das schönste ist, dass ich Herr meines Terminkalenders bin. Ich habe wenige Sitzungen. Plötzlich ruft ein Chefredaktor an, sagt: „Hör mal, können wir da was besprechen?“ Dann kann man das am selben Tag machen. Oder ich spaziere durch die Redaktionen, tauche mal auf und gehe mit jemandem einen Kaffee trinken.

taz: Wollen Ihre zwei Töchter eigentlich Verlegerinnen werden?

Die sind 14 und 16. Das Thema existiert noch nicht. Die eine hat viele Jahre jeden Tag ein Buch gelesen, zu meiner großen Freude. Im Moment ist das weniger, aber sie liest immer noch. Zu meinem Ärger lesen beide immer Zwanzig Minuten, die Gratiszeitung von der Konkurrenz, aber jetzt, Gott sei Dank, manchmal auch heute, unsere Abendzeitung.

taz: Ist Ihr Traum, dass die Kinder in den Verlag einsteigen?

Daran darf ich gar nicht denken. Wenn man die Geschicke eines Unternehmens an etwas hängt, was sich in zwanzig Jahren erst konkretisiert, ist das nur gefährlich. Außerdem: Ein paar Jahre bleibe ich ja auch noch da.

Interview: Georg Löwisch und Bascha Mika

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