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Der richtige Mix macht’s

UNTERWEGS Die Deutschen legen im Alltag jede Menge Kilometer zurück. Nur selten nutzen sie dafür das effizienteste Verkehrsmittel. So verschwenden sie unbemerkt Geld und Zeit, statt Luxus auszukosten

Wege weglassen

■ Wie viel Zeit seines Lebens man im Nirgendwo auf Strecken zwischen A und B verbringt, kann jeder selbst beeinflussen: Über 35 Prozent ihrer Wege legen die Deutschen für ihre Freizeitaktivitäten zurück. Erst dann folgen die Bereiche Beruf mit knapp 18 Prozent und Einkauf mit fast 17 Prozent. Die größten Zuwächse in den letzten zehn Jahren haben Einkaufs- (+ 72,6 Prozent) und Urlaubsverkehr (+ 27,5 Prozent).

VON LARS KLAASSEN

Da sage noch mal jemand, dass wir uns nicht genug bewegen: Laut Statistischem Bundesamt legt jeder Deutsche im Schnitt jährlich über 11.000 Kilometer zurück. Das sind etwa 30 Kilometer pro Tag. Würden wir das zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen, wäre Deutschland in Sachen Fitness und Gesundheit herausragende Spitze. Aber die Realität sieht doch ein bisschen anders aus: Fußgänger und Radler haben zusammen gerade mal einen Anteil von rund 6 Prozent. 80 Prozent ihrer Wege legen die Deutschen hingegen motorisiert zurück, und zwar nicht mit Bus oder Bahn, sondern mit dem Moped oder in den weitaus meisten Fällen mit dem Pkw. Rund 60 Milliarden Fahrten kommen hierzulande im Jahr zusammen. Das sind pro Kopf rund 700, pro Tag also etwa 2 Fahrten.

So viel Bewegung kostet: Im Jahr 2005 gingen 13 Prozent des privaten Konsums auf das Konto von Auto, Bus und Bahn. Die Preise für Autokauf, Benzin, Busticket, Bahnfahrkarte und viele weitere Positionen des statistisch erfassten Bereichs „Verkehr“ lagen vier Jahre später bereits um 8,3 Prozent höher. Das gesamte Paket der Konsumausgaben ist in diesem Zeitraum lediglich um 7 Prozent angewachsen. Bei solch einem großen Ausgabenposten gibt es Sparpotenzial. Und das nicht nur in finanzieller Hinsicht. Auch Zeit muss nicht verschwendet werden: etwa durch unnötige Fahrten, im zähflüssigen Berufsverkehr im Ferienstau oder bei der Parkplatzsuche. Dass bei alldem noch massig Energie für Sprit verpulvert und CO2 ausgestoßen wird, macht es für die Umwelt auch nicht besser.

Wer es eilig hat, sollte zu Fuß gehen oder Rad fahren

2009 schlug die Europäische Umweltagentur in ihrem Jahresbericht Alarm: Insgesamt sind die verkehrsbedingten CO2-Emissionen in Europa – inklusive Schiff- und Luftfahrt – seit 1990 um 36 Prozent angestiegen. Damit rücken die EU-Klimaschutzziele, die Treibhausemissionen bis 2020 um 20 Prozent zu senken, durch den Verkehr in weite Ferne. Industrie, Haushalte und Energieerzeuger können dagegen sinkende Emissionen vorweisen.

Sich die Beine zu vertreten oder aufs Rad zu steigen ist nicht nur gesund: Für viele Wege gibt es keine schnellere Fortbewegungsart. Häufig wird das Auto aus reiner Gewohnheit genutzt, obwohl es langsamer und teurer ist und die Umwelt stärker belastet als die möglichen Alternativen. Statistisch betrachtet ist die Hälfte aller Autofahrten kürzer als 6 Kilometer. 5 Prozent sind sogar kürzer als 1 Kilometer. Doch gerade bei kurzen Strecken ist das Auto keine gute Wahl: Ein kalter Motor verbraucht auf den ersten drei Kilometern umgerechnet bis zu 35 Liter Sprit auf 100 Kilometer.

Geld und Zeit sparen andere: Bei Distanzen von bis zu einigen 100 Metern sind Fußgänger schneller, als Autofahrer ein- und ausparken können. Bei Strecken bis zu 5 Kilometern liegt das Fahrrad vorne: Man kann damit Abkürzungen nehmen, die Autos versperrt sind, und direkt vor der Tür parken.

Auto zu fahren ist nicht nur auf kurzen Strecken teuer: Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat ausgerechnet, dass jeder gefahrene Kilometer zwischen 40 und 60 Cent kostet, wenn man von den sogenannten Vollkosten ausgeht. Darin enthalten sind der Wertverlust, die Betriebskosten, sonstige Fixkosten und die Kosten für Wartung und Reparatur. Bei einer Fahrleistung von 15.000 Kilometern kommt man schnell auf Gesamtkosten zwischen 6.000 und 9.000 Euro pro Jahr.

Laut Umweltbundesamt ist das „Fahrzeug“ Auto im Schnitt 23 Stunden pro Tag ein „Stehzeug“

Wer sich die hohen Fixkosten eines eigenen Autos vom Hals schafft, kann sein Geld genau in die Art von Beweglichkeit investieren, die gerade benötigt wird: etwa für eine Monats-/Jahreskarte im Nahverkehr und für gelegentliche Taxifahrten (zum Beispiel nach einem nächtlichen Kneipenbummel). Oder man leistet sich mal einen schicken Mietwagen für den Wochenendausflug. Diese Flexibilität erhöht die Lebensqualität und schont auch noch die Umwelt.

Laut Umweltbundesamt ist das „Fahrzeug“ Auto im Schnitt 23 Stunden pro Tag ein „Stehzeug“. Effektiv ist das nicht. Und fürs bloße Rumstehen in irgendwelchen Garagen, Kellergeschossen oder auf der Straße ein ganz schön teurer Spaß. Gut, dass man sich eine ganze Fahrzeugflotte mit anderen teilen kann. „Im Durchschnitt werden durch ein Carsharing-Auto fünf private Pkws ersetzt“, weiß das Umweltbundesamt. „Das verringert auch die für private Autos benötigten Parkflächen, die dann für andere Zwecke – etwa Grünanlagen oder Kinderspielplätze – genutzt werden können.“ Laut EcoTopTen rechnet sich Carsharing in der Regel für alle, die nicht mehr als 10.000 Kilometer im Jahr mit dem Auto fahren. Auch bei 10.000 bis 12.000 Kilometern Jahresfahrleistung könne dies noch der Fall sein. Eine bundesweite Übersicht der Carsharing-Anbieter und Kriterien für die richtige Wahl stehen unter www.ecotopten.de.

Wenn schon Auto, dann immer ein anderes

Das zunehmende Interesse an Carsharing hat zur Folge, dass deren Service sich stark erweitert: Die Initiativen vernetzen sich zunehmend. Ihre Kunden können bequem mit dem Zug in eine andere Stadt fahren und ins günstige Auto umsteigen, um ins Umland zu kommen. In einigen Städten kooperieren Carsharing-Initiativen mit den ÖPNV-Anbietern: Mitglieder der Carsharing-Initiative bekommen verbilligte Zeitkarten für den ÖPNV angeboten. Ein weiterer Vorteil für Carsharer: Die intensive Nutzung der Autos erfordert eine ständige Erneuerung der Fahrzeugflotte, sodass die Fahrzeuge immer auf dem neuesten (und umweltfreundlichsten) Stand der Technik sind. Und egal was kommt: Für jede Situation können Nutzer das optimale Fahrzeug wählen. Statt eigener Allzweck-Kutsche, die für viele Fahrten zu groß, für andere wiederum zu klein ist, haben sie eine breite Palette zur Auswahl: vom kleinen Flitzer bis zum Transporter.

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