Ab Montag wird zurückgeschossen

Die USA finden sich mit einer begrenzten türkischen Militäroperation im Nordirak ab. Aber was heißt „begrenzt“? Vor allem um diese Frage wird es bei den diplomatischen Gesprächen zwischen den USA und der Türkei in den kommenden Tagen gehen

Mit einer Befreiung der verschleppten türkischen Soldaten wird sich das Militär nicht zufriedengeben

ISTANBUL taz ■ „Sieben schwere Tage mit den USA“, titelte am Mittwoch die Istanbuler Intellektuellenzeitung Radikal und bereitete ihre Leser damit auf die kommenden Konferenzen über den Kurdenkonflikt vor. Erst wird sich die US-amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice am Donnerstag in Istanbul mit Ali Babacan und Hosni Sebari, den Außenministern der Türkei und des Irak, treffen. Danach werden die Außenminister sämtlicher Nachbarstaaten des Irak und Vertreter der Mitgliedstaaten des UN-Sicherheitsrats ebenfalls in Istanbul erwartet. Unmittelbar nach dieser Konferenz wird der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in die USA fliegen, um dort US-Präsident George W. Bush zu treffen.

Vor allem das Treffen mit Bush am kommenden Montag wird in den türkischen Medien als entscheidend für den Fortgang des Konflikts gesehen. Sollte das Gespräch mit dem US-Präsidenten ohne Ergebnisse bleiben, wird die Türkei die Verfolgung der separatistischen kurdischen PKK im Nachbarland Nordirak selbst in die Hand nehmen, hat Generalstabschef Yasar Büyükanit in seiner Rede zum türkischen Nationalfeiertag am Montag noch einmal wiederholt. Auch Ministerpräsident Erdogan schlug vor den beginnenden Gesprächen erneut scharfe Töne an. „Wenn die USA sich das Recht genommen haben, von weit her in den Irak zu kommen, haben wir alles Recht auf unserer Seite, uns gegen die Angriffe aus dem Nordirak zu verteidigen.“

Einen ersten Erfolg bei den USA hat die Türkei bereits erzielen können. Nachdem sich Amerikaner bislang immer strikt gegen einen türkischen Einmarsch im Nordirak ausgesprochen hatten, deutete die US-Regierung am Montagabend erstmals einen Kurswechsel an. Dana Perino, die Sprecherin des Präsidenten, sagte vor der Presse, man habe Verständnis für die Bestürzung der Türken über die Angriffe der PKK aus den Irak und insbesondere über die Verschleppung von acht türkischen Soldaten. „Die Türkei hat unserer Auffassung nach das Recht, in den Nordirak zu gehen und ihre verschleppten Soldaten dort zu suchen.“

Dieser Schwenk wird in Ankara als Zeichen dafür gedeutet, dass sich die USA allmählich mit einer begrenzten Militäroperation türkischer Truppen abfinden. Bush hat Erdogan kaum etwas anderes anzubieten, als sein Verständnis für begrenzte türkische Aktionen auszudrücken. Denn das US-Militär im Irak hat es kategorisch ablehnt, gegen die PKK vorzugehen, wie der zuständige Generalmajor Benjamin R. Mixon vor wenigen Tagen noch einmal explizit öffentlich erklärte. Und die kurdische Autonomieregierung im Nordirak behauptet, sie könnte, selbst wenn sie wollte, die führenden PKK-Leute gar nicht finden und festnehmen, da sie deren Camps nicht kontrollieren könne.

Die Verhandlungen mit den USA dürften sich deshalb vor allem um die Definition des Begriffs „begrenzt“ drehen. Da die nordirakischen Kurden ohnehin argwöhnen, die Türkei würde die Angriffe der PKK nur als Vorwand benützen, um den Nordirak zu besetzen und so die Entstehung eines möglichen kurdischen Staates zu verhindern, muss Bush bei Erdogan durchsetzen, dass dieser Eindruck nicht weiter verstärkt wird.

Anderseits haben die türkischen Militärs mittlerweile 100.000 Mann mit schwerem Gerät entlang der Grenze stationiert und sind entschlossen, ihren Aufmarsch in nachweisbare Erfolge zu überführen. Mit einer Kommandoaktion zur Befreiung von Gefangenen werden sie sich nicht zufriedengeben. Der beste Verbündete für Bush ist das Wetter. In wenigen Wochen beginnt in den nordirakischen Bergen der Winter. Wenn dann mehrere Meter hoch Schnee liegt, ist sowieso erst mal Feuerpause.

JÜRGEN GOTTSCHLICH