: Umweltzone: Nur keine Eile
Das Fahrverbot in Innenstadt und Neustadt soll kommen – darauf haben sich SPD und Grüne geeinigt. Nur wann ist genauso unklar wie die Frage, welche Ausnahmen es geben wird
Die bundesweite Diskussion um so genannte Umweltzonen hat seit dem 27. September erheblich an Tempo gewonnen: Das Bundesverwaltungsgericht hatte festgestellt, dass Betroffene ihre Stadtverwaltungen dazu zwingen können, für eine bessere Luftqualität tätig zu werden. Dabei erwähnten die Richter als „verhältnismäßige Maßnahmen“ ausdrücklich auch Durchfahrtsverbote. Bewohner an stark befahrenen Straßen hätten auch dann Anspruch auf Schutz vor den gesundheitsschädlichen Emissionen filterloser Diesel-Fahrzeuge, wenn die Länder noch keine Aktionspläne ausgetüftelt haben. TAZ
von Eiken Bruhn
Trassen oder keine Trassen? SPD und Grüne haben die Entscheidung darüber, ob innerhalb der Umweltzonen einzelne Straßen vom Fahrverbot ausgenommen werden, vertagt.
Am Dienstag wollen die KoalitionspolitikerInnen nur beschließen, dass für Fahrzeuge, die besonders viel Feinstaub und Stickstoffoxide ausstoßen, nicht nur die City, sondern auch die Neustadt tabu sein wird. Das sagten die Umweltpolitikerinnen Karin Mathes (Grüne) und Karin Garling (SPD) am Freitag. Sie hätten sich weiterhin darauf geeinigt, dass nur Personenwagen und Laster, die eine Plakette tragen, die Emissionswerte nach der Europäischen Abgasnorm 2 ausweist, dann noch zwischen Hollerallee, Graf-Moltke-Straße, Neuenlander Straße und der B 75 fahren dürfen.
Keine Einigung gab es hingegen in der Frage, ob einzelne Straßen vom Fahrverbot ausgenommen werden. Betroffen sind dabei der Osterdeich, die Friedrich-Ebert-Straße und die Wester- und Osterstraße – Letztere sei immerhin die Zufahrt zur Beck’s Brauerei, wie die SPD-Politikerin Garling zu bedenken gibt. Während die Grüne Mathes sehr deutlich sagt, dass sie eine Umweltzone ohne Trassen vorzieht, weist Garling – das Wirtschaftsressort ist in SPD-Hand und lehnt eine Umweltzone ab – auf die Sorgen von Betrieben und Handelskammer hin. Letztere befürchtet ein „Ausbluten der Innenstadt“.
Einen Koalitions-Konflikt mögen beide freilich nicht erkennen. Sie sagen, sie müssten jetzt erst einmal die Argumente der Betroffenen hören, um eine Entscheidung fällen zu können. „Wir wollen eine möglichst breite Öffentlichkeit beteiligen“, sagt Garling.
Allerdings liegen die Argumente gegen die Trassen bereits jetzt auf dem Tisch. Denn die Straßen, die vom Fahrverbot ausgenommen werden sollen – weil sie besonders viel befahren werden – sind natürlich die, auf denen die Schadstoffbelastung besonders hoch ist. Gesenkt werden muss diese, das schreiben EU-Richtlinien vor. „Das konterkariert doch den Zweck der Umweltzone“, kritisiert der Verkehrsexperte der Umweltorganisation BUND, Georg Wietschorke. Er fordert jetzt eine politische Entscheidung, anstatt diese weiter aufzuschieben.
Das Argument, man brauche eine Nord-Süd-Querung durch die Innenstadt, so lange der Autobahnring noch nicht geschlossen ist, mag Wietschorke nicht gelten lassen. Dafür gebe es Park and Ride beziehungsweise Weserbrücken außerhalb der Innenstadt. Und sollten, wie die Handelskammer befürchtet, die Einkäufer aus dem Umland in Zukunft nach Oldenburg zum Shoppen fahren, müsste dieses auch eine Umweltzone einrichten, polemisiert er.
Letztlich sei die Umweltzone, die der Bremer BUND seit Jahren fordert, auch keine Lösung „für die Probleme, die wir der Autoindustrie verdanken“, wie Wietschorke sagt. An der Dobbenkreuzung – einer der lungenfeindlichsten Orte in Bremen – und anderen Straßen würden die Grenzwerte trotz Umweltzone weiter überschritten, sagt er mit Verweis auf das Gutachten, das Grundlage der derzeitigen Planungen des Umweltsenators ist. Davon abgesehen: „Menschen inhalieren keine Grenzwerte.“ Deshalb könne es nicht nur darum gehen, an einzelnen Stellen die Werte zu senken, sondern man müsse großflächig etwas tun, so Wietschorke. Nur wie? „Wir müssen in den Städten unser Mobilitätsverhalten ändern.“
Für die Umwelt- und VerkehrspolitikerInnen stehen zunächst ganz andere Probleme auf der Tagesordnung. Sie müssen nicht nur über die Trassenfrage entscheiden, sondern auch über Ausnahmeregelungen für Anwohner, Durchfahrer, Gewerbetreibende – für deren Erteilung zusätzliches Personal gebraucht wird. Und sie müssen sich überlegen, wer wie kontrollieren soll, ob nur Berechtigte in der Umweltzone fahren. Dazu kommt, dass sie sich mit der Einführung beeilen müssen, da ab 2010 noch strengere Grenzwerte gelten. Einen Zeitplan gibt es derzeit noch nicht.
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