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Der Kuli zwischen den Schulterblättern

■ Auf einen Politiker kommen am Wahlabend im CCH acht JournalistInnen

Ein sattes Geräusch, wenn eine Kamera den Halswirbel trifft. So ein gedämpftes „Bopp“, als fiele ein Apfel in Torf. Der Kopf des getroffenen Journalisten sackt nach vorne, dahin, wo Krista Sager steht. Die weicht zurück, verheddert sich in einem Kabel, dessen Besitzer brüllt: „Rausziehen!“, und dann ist da diese Glastür.

Auf jeden Politiker kamen am Wahlabend im CCH acht JournalistInnen, sagt die Statistik. Was sie nicht sagt, ist, daß sich für viele PolitikerInnen niemand und für wenige jeder interessiert.

CDUler Ole von Beust beispielsweise ist nie ohne Medienbegleitung. Die Grüne Krista Sager auch nicht. Sie will zum ZDF-Studio, und das ist ganz hinten. Von weitem muß ihr Weg dorthin ausgesehen haben wie ein Teil von Wetten, daß ...?. Wetten, daß drei JournalistInnen auf den Füßen eines vierten stehen können und dabei noch Fragen stellen? Und wetten, daß alle durch eine Glastür passen?

Wette verloren. Die Tür steht Rücken an Rücken mit drei Fernsehmännern. „Können Sie mir mal sagen“, fragt Krista Sager mit dieser Ich weiß, daß du weißt, was ich sagen will, aber ich sag's trotzdem-Stimme, „können Sie mir mal sagen, wie wir durch die Tür kommen sollen, wenn Sie sie zumachen?“Das kann ihr niemand sagen. „Paßt auf, wir gehen jetzt alle einen Schritt zurück“, tuschelt ein Fotograf in der ersten Reihe. Der Kuli einer Zeitungsfrau zwischen seinen Schulterblättern stoppt ihn.

Generell haben SchreiberInnen schlechte Chancen beim Rempeln um die spannendsten Interview-PartnerInnen. Ein Stativ ist eben härter als ein Füller; und ein Bandgerät, zum Schlag erhoben, furchteinflößender als ein Notizblock. „Weg da, sonst kritzel' ich dich voll“verscheucht keinen Fotografen.

Bleibt nur, auf der anderen Seite der Glastür zu warten. Aber darauf muß man erstmal kommen.

Judith Weber

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