: Die Arbeit des Raubtierfütterers
Bela Anda heißt der Mann, der dafür sorgen soll, daß Gerhard Schröder in „Bild“ gut wegkommt. Das ist für den Kanzler wichtiger als mancher Leitartikel ■ Von Patrik Schwarz
an kann über Sie in Bonn hören, Sie seien entweder hochgradig unbedarft oder hochgradig gerissen. Welcher Ruf ist für einen Regierungssprecher gefährlicher?“ Blöde Frage, mault Bela Anda und sieht gar nicht mehr wie der „Große Manipulator“ aus, für den ihn manche halten. Was ein echter PR-Profi ist, der würde doch gewiß noch aus der dümmsten Frage Kapital schlagen. Und überhaupt: überlegt sich nicht ein wahrer Sprecher vorab die drei Botschaften, die er an einem Abend wie diesem rüberbringen will – völlig gleichgültig, ob die Frage dazu paßt oder nicht?
Denn darum geht es im Kommunikationsgeschäft: den Dingen den richtigen Dreh geben, english spin. Und weil die Politiker überall das immer wichtiger finden, haben die Drehmeister längst einen englischen Namen: Spin-Doctors.
Bela Anda, 36, Ex-Chefreporter bei Bild und Schröder-Biograph, ist für Bonner Verhältnisse jung, schön und erfolgreich. Seit Februar ist Anda Vizeregierungssprecher. Mit seinem Chef Uwe-Karsten Heye und seinerKollegin Charima Reinhardt ist er einer der drei Spin-Doctors, die dafür sorgen sollen, daß das Volk seinen Kanzler weiterhin liebt. Im Trio der Kanzlerverkäufer ist Bela Anda nicht nur die jüngste, sondern auch die farbigste Gestalt.
„Anda ist per du mit Leuten, die über Schlagzeilen entscheiden“, sagt ein altgedienter Bonner Korrespondent. Worauf es in der Republik ankomme, zitiert der Journalist ein geflügeltes Schröder-Wort, seien „Bild, BamS und Glotze“. Da ist einer wie Anda unerläßlich: Mit 23 Jahren Politikredakteur bei der Welt am Sonntag, mit 29 Redakteur in der Zentrale von Bild, mit 31 Chefreporter, mit 34 Ressortleiter für Serien. Dazwischen hat er ein Studium untergebracht und das Buch über den Kanzlerkandidaten Gerhard S. geschrieben. „Er hat Kontakte, wo andere keine haben: im ganzen konservativen Spektrum“, umreißt der Korrespondent Andas Bedeutung. Während Bild oft noch der alte üble Ruch anhaftet, haben sich Medienbranche und Bonner SPD-Politiker längst mit dem Blatt versöhnt. Mancher Kollege vermutet darum hinter Andas Aufstieg besondere Qualitäten: „Er ist schnell, effizient und weiß, was die Raubtiere wollen: Blut und Sperma.“
Das Problem bei dieser Art Einschätzung ist, daß sie schwer zu überprüfen ist. Öffentlich gibt es von Anda eher Prosaisches wie die Presseerklärung vom 8. Juli zur EU-Entscheidung im „Beihilfeprüfungsverfahren betreffend die Einbringung von Landeswohnungsbauvermögen in Landesbanken“. Ansonsten tritt Anda meist als Mikrofonhalter bei Pressekonferenzen in Erscheinung. Nun bemißt sich der Einfluß eines Sprechers ohnehin am Geschick hinter der Bühne. Doch ein Bonner Korrespondent, der den Sprecher oft erlebt, sagt: „Er tut, als könnte er kein Wässerchen trüben – und er trübt wirklich keins.“ Anda habe sich für Schröder als „überflüssige Besetzung“ erwiesen.
Andas Ruf als des Kanzlers Scharnier zur Springer-Presse tut das keinen Abbruch. „Man weiß bis heute nicht so richtig, wofür Anda da ist“, erklärt der Beobachter die Mythenbildung, „und weil man sich's sonst nicht erklären kann, wird er zum Fiesling mit dem schönen Gesicht stilisiert – dabei ist er nur nutzlos.“
Was auch immer Anda dafür tut, im Politikkonzept des Kanzlers spielt die Bild-Zeitung und ihre Sicht der Dinge eine zentrale Rolle. Man könne „keine Politik gegen Bild“ machen, wird Schröder zitiert, und die einstige Grünen-Geschäftsführerin Heide Rühle resümierte frustriert die Koalitionsverhandlungen mit dem Kanzler: „Die Bild-Zeitung saß immer mit am Tisch.“ Da zählt nicht nur die unbestreitbar mächtige Tatsache, daß Bild fast elfeinhalb Millionen Leser hat und die meisten davon trotz jahrelangen Rechtskurses von Bild SPD wählen. Für den Kanzler ist Bild mehr: Aus der Bild-Linie liest er die vermeintliche Stimme des Volkes, die Bild-Zeitung revanchiert sich, in dem sie immer mal des Kanzlers Selbstbild als Macher mit dem Ohr an den kleinen Leuten transportiert: „Gestern ist dem Kanzler der Kragen geplatzt“, beginnen dann die für Bild gemachten politischen Kehrtwendungen aus dem Kanzleramt auf Seite 1 oder 2, „jetzt greift der Kanzler ein“, heißt es, oder „gestern ging Bundeskanzler Gerhard Schröder dazwischen“.
Aber wann es der geschaßte Bodo Hombach war, der eine Schlagzeile drehte, wann andere aus dem Kanzleramt oder das Presseamt – man erfährt es selten. Bela Anda wehrt alle Vermutungen über seine Funktion ab: „Ich mache nur Sacharbeit.“ – „Das glauben Sie selbst nicht!“ – „Würde ich's Ihnen sonst erzählen?“
Jetzt hat einer aus der Runde junger Männer am Nebentisch Anda erkannt. Sie gehören zum Politik-Fußvolk, einer arbeitet in der CDU-Fraktion. Auf Anda blikken sie mit dem stummen Glühen in den Augen, wie es nur Jungs haben können: diese Mischung aus „,Ist er's wirklich?‘-Blick“ und „So will ich auch mal werden“: Immer weiter, immer höher, wohin, ist egal. „Ich muß erst mal lernen“, sagt Bela Anda über seinen Job.
Soeben noch hat er von drei Büchern anglo-amerikanischen Gurus der Polit-PR geschwärmt. Jetzt sagt er, er selbst halte er nichts von solchen Spielchen. Die Kunst bestehe darin, die Bonner Politsprache zu sprechen – „ohne den Eindruck zu erwecken, man sage nix“.
Anda strahlt jene enthusiastische Demut aus, wie sie bei der jungen Generation amerikanischer Politkarrieristen verbreitet ist. Nichts Weinerliches und kein sozialpädagogisch unterfüttertes Anspruchsdenken hindert sie, aber es ist eben auch nichts Rebellisches, nichts Kühnes, nichts Exzentrisches, was sie weiterbringt. Da paßt es gut, daß Anda soviel freier, ungezwungener, auch ungeschützter redet, als das Gespräch ins Englische hinübergleitet, spaßeshalber. Frei spricht Anda da, so frei, daß man sich provoziert, anrempelt, wie das nur Jungs können.
Das ist die Welt, in der auch Gerhard Schröder und Bodo Hombach sich wohlfühlen dürften. Als Lehrling ist Bela Anda gut plaziert. Sein Chef Uwe-Karsten Heye ist nicht nur Schröder-Intimus, sondern auch hinter den Kulissen erfahren.
Ein Freitag vor einigen Wochen, mal wieder die Debatte um Benzinpreis und Ökosteuer. Bei Heye klingelt das Telefon. Wie lange man das Hickhack noch laufen lassen wolle, fragt ein Bild-Korrespondent. „Wir müssen das einfangen“, hat Heye geantwortet, „da könnt Ihr drei, vier Sätze vom Kanzler haben.“ Ein Insider beschreibt das Kalkül: „Heye denkt, wenn die Schlagzeile lautet: 'Wie lange noch, Kanzler?‘, ist das Scheiße.“ Wenig später ruft der Presseamtschef den Reporter zurück und kann ihm ein neues Schröder-Machtwort in den Block diktieren: „Schluß mit der Debatte!“ Bild hat ihre Geschichte, die Regierung den Spin. Und Anda? „Für die totale politische Hardware ist nach wie vor Heye zuständig“, sagt Rolf Kleine vom Bonner Bild-Büro, Anda „deckt eher das weichere Segment ab“ – die Human-touch-Geschichten sind wohl gemeint, Schröder muß auch in Neue Revue und Super-Illu. Dabei verfügt der Vizeregierungssprecher über beste Kontakte: Kleine ist ein persönlicher Freund und der Co-Autor der Schröder-Biographie. „Nicht die Bohne“ interessiere Schröder sich für die Frage, wie eine Geschichte geschrieben sei, meint Kleine. „Was den interessiert, ist, wie wird ein Thema groß gefahren.“
Die gemeinsam verfaßte Schröder-Biographie war jedenfalls ein Wendepunkt in Andas Karriere. Entdeckt hatte der Reporter den SPD-Politiker schon als Ministerpräsident in Hannover. „Schröder war damals schon eine interessante Figur, und ich habe darauf gedrängt, daß wir eine Porträt machen.“ Das Foto dazu zeigte den späteren Kanzler im Morgennebel mit seinen Hunden. Für Anda war es eine kleine Geste, für Schröder ein großer Schritt: „Anda hat Schröder bei Bild denkbar gemacht“, erzählt ein Journalist. Lange hatten sich die Springer-Blätter im letzten Wahlkampf auf Weisung von oben noch einmal auf klaren Kohl-Kurs festlegen lassen, als funktioniere Politik und Boulevard noch wie vor 20 Jahren. Nur einzelne Redakteure, wie Bild am Sonntag-Chef Michael Spreng, Rolf Kleine oder eben Anda waren ausgeschert. Sie haben erkannt, daß es für Boulevard wichtiger ist, nah an der Macht zu sein, um ab und an vorzuführen, daß man selbst die Linie vorgebe. Über Schröders volksnahen Machtwortstil sagt Kleine: „Das deckt sich mit dem, was wir wollen – das ist eine Message, die für uns als Medium transportabel ist.“
Bela Anda sitzt nun noch näher beim Kanzler, aber vielleicht ist das Machtverlust: „Er muß vorsichtig sein – für die Show ist der Boß zuständig!“, warnt ein Bonner Korrespondent. Ein anderer sagt es unverhohlener: „Man kann bei Schröder nie wissen, wann er den Spaß an einem Spielzeug verliert.“
„Das müssen wir einfangen“, antwortete Regierungssprecher Heye, „da könnt ihr drei, vier Sätze vom Kanzler haben“
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