schnittplatz: Rügen, Lügen und Kampagnen
In der Zeitung seines ehemaligen Kulturministers hat sich Gerhard Schröder über „die Medien“ beschwert. „Im Wortlaut“ und „ohne dass ich aufgeregt werde“, diktierte er der Zeit, dass „bestimmte Medien“, insbesondere die „neuen Leute bei Springer“, ihm an den Kragen wollten – und zwar in Absprache mit der CDU: „Das ist eine Kampagne!“
Bild setzte die Nachricht von der schröderschen Rüge prompt auf die Titelseite („Schröder greift Springer Verlag an“). Und Zeitungsvorstand Mathias Döpfner, der mit den „neuen Leuten bei Springer“ gemeint war, schoss auf Seite 2 mit einem Kommentar zurück: „Mit dem Böllerschuss auf unseren Verlag will der Kanzler unabhängige Journalisten einschüchtern und mundtot machen“, die Attacke sei mithin ein Angriff auf die Pressefreiheit. Überschrieben war Döpfners Philippika mit „Die Kampagne des Kanzlers“, ihr Tenor also lautete: selber Kampagne!
Derweil konstatiert das Springer-Blatt Welt mit Blick auf Merkels verunglückte Fahndungsplakate: „Der CDU fehlt die Kampagnenfähigkeit.“ Genau das ist das Problem: Für „abgesprochene Strategien“, wie sie der Kanzler unterstellt, ist die CDU gegenwärtig kein tauglicher Komplize. Also muss Springer mit seinen Heerscharen an Lesern und „mehr als zwölftausend Mitarbeitern“ einstweilen alleine ran. Sekundiert vielleicht nur noch von der FDP, die sich am Freitag beeilte, den wackeren Verlag in Schutz zu nehmen.
Dass es nicht zu Schröders besten Ideen gehört, sich allzu frontal mit der Springerpresse anzulegen, liegt auf der Hand. Entsprechend entschieden lässt er also zurückweisen: Es sei „völlige Verwirrung“, von einem Angriff auf die Pressefreiheit zu sprechen. Um die Verwirrung komplett zu machen, war unter Döpfners scharfem Kommentar eine milde Kolumne von Irrlicht Franz Josef Wagner abgedruckt: „Die großen Geschichten sind Märchen“, schreibt der Ex-Bild- und Ex-B.Z.-Chefredakteur Wagner, „Die Presse ist nichts anderes als der von Oase zu Oase reisende Geschichtenerzähler. Die Menschen setzen sich zu seinen Füßen und lauschen unter den Dattelpalmen seinen Geschichten. Bild ist die moderne Oase.“ So sind sie halt, die alten Leute bei Springer: Anstatt den Verlag zu instrumentalisieren, werfen sie lieber mit Datteln.
ARNO FRANK
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