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Strippenzieher in Nöten

Berlins allmächtiger CDU-Fraktionschef Landowsky steht wegen seiner Bankgeschäfte unter Beschuss

von RALPH BOLLMANN

Wer redet schon von Gerhard Schröder? In der Hauptstadt selbst hat nur einer das Sagen: Klaus Landowsky. Der CDU-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus bestimmt, wo es im Stadtstaat langgeht. In der Politik hält er die Fäden der fragilen CDU-SPD-Koalition zusammen, die sein Weggefährte Eberhard Diepgen nach außen repräsentiert. In der Wirtschaft, der Baubranche vor allem, lenkt er als Chef der landeseigenen Hypothekenbank die Kapitalströme.

Diese Doppelrolle, lange Jahre die Basis für erfolgreiche Machtausübung, bringt den Multifunktionär jetzt in Bedrängnis. Durch neuerliche Wertberichtigungen der Bankgesellschaft Berlin gerieten Landowskys verlustreiche Immobiliengeschäfte im Januar wieder in die Presse, und seither ist die Lawine kaum noch zu stoppen. Inzwischen ist von Bilanzmanipulationen in Milliardenhöhe die Rede. Die Oppositionsparteien PDS und Grüne fordern einen Untersuchungsausschuss, selbst die SPD rät dem Koalitionspartner zum Verzicht auf den Bankjob.

Müsste der 58-Jährige den Vorstandsposten tatsächlich räumen, wäre er auch als Fraktionschef schwer angeschlagen. Denn nur mit dem „System Landowsky“ kann sich die CDU im traditionell roten Berlin seit den Achtzigern – mit kurzer Unterbrechung durch den Momper-Senat zur Wendezeit – an der Macht halten. Diepgen als präsidialer Landesvater ohne Ecken und Kanten, Landowsky als Mann fürs Grobe – diese Arbeitsteilung funktionierte fast perfekt.

Niemand vermag sich derzeit vorzustellen, wer das Führungsduo einmal ablösen soll. Dass der jetzt 59 Jahre alte Diepgen bei der nächsten Wahl 2004 nach 20 Amtsjahren noch einmal antritt, gilt schon beinahe als ausgemacht. Ohne Landowsky wird er das kaum schaffen. Die Berliner Verhältnisse verlangen einen doppelten Spagat: Einerseits muss die CDU den so schwindsüchtigen wie unberechenbaren Koalitionspartner SPD im Boot halten, andererseits muss die Führungsriege den rechten Flügel der eigenen Partei in Schach halten. Eine ultrakonservative CDU, das weiß Landowsky ganz genau, hätte in einer Großstadt wie Berlin keine Chance.

Als strategischer Kopf ist Landowsky in der provinziellen Berliner Landespolitik allen anderen Akteuren haushoch überlegen. Bislang überstand er unbeschadet alle Affären. Kein Wunder, dass der Mann allmählich übermütig wurde. Bei Pressegesprächen bedachte er Freund und Feind generös mit Zensuren. Jetzt wird sich zeigen, ob auf den Hochmut der Fall folgt.

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