Gender Mainstreaming: Männer, lest Ratgeber!
Gender Mainstreaming – das klingt vor allem sperrig. Es anzuwenden heißt, die Wirkung der Entscheidungen von Politik und Verwaltung auf beide Geschlechter stets zu berücksichtigen. Dass dies manchmal ganz unspektakulär möglich ist, zeigt ein Projekt der Neuköllner Stadtbibliothek.
Die BibliothekarInnen haben festgestellt, dass Frauen und Mädchen 70 Prozent der Medien ausleihen. Während sie vom Roman bis zur naturwissenschaftlichen Literatur fast alles mitnehmen, sind Männer festgelegt: Schaffen sie es überhaupt in eine Bibliothek, gehen sie meist zielgerichtet in die Technik- und die Computerabteilung. Diese Erkenntnis ist nicht neu, meist aber wird sie schlicht hingenommen.
Wie kann man die Männer dazu bringen, auch andere Bücher auszuleihen, fragten sich nun die Neuköllner BibliothekarInnen. Und stellten neben Computerbüchern und -zeitschriften einen Rundständer mit „Befindlichkeitsliteratur“ auf, wie es die zuständige Mitarbeiterin Brigitte Ludwig nennt: Bücher über Beziehungsprobleme, die Vaterrolle, Impotenz und Homosexualität. Darüber hängten sie ein Schild mit der Aufschrift „Mannsbilder“, daneben stellten sie Sessel. „Seitdem hat es in dieser Themengruppe einen Ausleihsprung gegeben, der Anteil der männlichen Leser ist um bis zu 50 Prozent angestiegen“, sagt Ludwig zufrieden.
„Das zeigt, dass Gender Mainstreaming auch ohne großen Aufwand möglich ist“, betonte auch die Staatssekretärin Susanne Ahlers, die gestern einen Zwischenbericht über Gender Mainstreaming vorstellte. „Es soll nicht nur mehr Geschlechtergerechtigkeit bewirken, sondern auch Verwaltungen besser und effektiver machen.“ Dass dies funktioniere, habe die abgeschlossene Pilotphase gezeigt. An dieser hatten sich insgesamt 25 Projekte aus Senatsverwaltungen und Bezirken freiwillig beteiligt. Neben der Bibliothek, deren MitarbeiterInnen auch eine Fortbildung zum Umgang mit störenden Besuchern erhielten, fragte eine Arbeitsgruppe der Gesundheitsverwaltung, warum Krebsvorsorge vor allem von Frauen in Anspruch genommen wird. Und die Wirtschaftsverwaltung „genderte“ den Wirtschafts- und Arbeitsmarktbericht.
Künftig sollen sich alle Senatsverwaltungen und Bezirke am Gender Mainstreaming beteiligen. So hat es der Senat beschlossen. Auch „Gender Budgeting“ soll für einzelne Haushaltstitel eingeführt werden. Ab 2006 soll das flächendeckendes Prinzip zur Verwaltungsmodernisierung sein. „Ziel ist es schließlich, Verwaltungshandeln zu verändern“, sagt Staatssekretärin Ahlers. „Die Auswirkungen auf beide Geschlechter mitzudenken, das soll selbstverständlich werden.“ SABINE AM ORDE
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