„Wir müssen uns auf soziale Gerechtigkeit konzentrieren“

Nur wenn die Partei sich thematisch erweitert, kann sie mehr Wähler ansprechen, meint Stephan Schilling, Sprecher der Grünen Jugend

taz: Herr Schilling, Sie kandidieren jetzt zum ersten Mal für den Bundestag. Warum fordern Sie einen Neuaufbruch der Grünen, unabhängig von der SPD?

Stephan Schilling: Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik ist meines Erachtens gescheitert. Wir müssen eine klügere Mischung aus angebots- und nachfrageorientierten Elementen einsetzen. An der Arbeitslosigkeit kommt kein Politiker vorbei. Die Grünen müssen sich stärker auf die Frage der sozialen Gerechtigkeit konzentrieren.

Dies ist ja eine klassische Frage der SPD.

Das heißt aber nicht, dass wir ihr das Feld überlassen müssen. In der Regierung haben wir einige Erfolge auf den zentralen Feldern der Grünen vorzuweisen: beim Umweltschutz, bei Verbraucherfragen oder der Gesellschaftspolitik. Aber in der Sozial- und Wirtschaftspolitik fällt die Bilanz schlechter aus. Da werden wir in Zukunft mehr machen müssen. Wir fordern da Solidarität ein, beispielsweise mit der Bürgerversicherung. Ich kann viel aus meiner Arbeit bei der Grünen Jugend einbringen, weil das für Jüngere besonders wichtig ist.

Warum gerade für Jüngere?

Es ist so, dass wir uns an den Gedanken gewöhnen müssen, dass Erwerbsarbeit sich verändert. Wir sind auf dem Weg in eine Wissensgesellschaft. Außerdem werden viele selbstständig arbeiten. Womit wir auch in den Wahlkampf ziehen, ist das Phänomen der „Generation Praktikum“, wobei Akademiker nicht angestellt, sondern letztlich nach dem Studium ausgebeutet werden.

Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach in der Opposition agieren. Ist das für Ihre Arbeit ein Vorteil?

Wir kämpfen natürlich für eine Mitte-links-Regierung. Aber wenn das nicht klappen sollte, dann birgt die Opposition die Chance, dass die Partei sich programmatisch erneuern kann. Wenn wir uns thematisch erweitern, dann können wir auch ein breiteres Wählerpublikum ansprechen. Ich glaube nicht, dass wir für immer bei acht Prozent liegen müssen. Wir können durchaus eine stärkere Kraft werden.

Sie denken also auch nicht, dass die Grünen an eine einzige Generation gebunden sind?

Nein, ich merke an dem Zuspruch zu meinem Verband, dass auch junge Menschen sich für die Grünen interessieren. Wir werden auch weiter gesellschaftlich relevant sein und gewählt werden. Wir werden in zwanzig Jahren auch Gesichter brauchen, die die Grünen repräsentieren. Ich wäre gerne eins davon.

INTERVIEW: SOLVEIG WRIGHT