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Zweiter Nachtragsetat gefordert

■ Bündnisgrüne: Die Stadt nicht „mit einer Haushaltssperre malträtieren“. PDS wirft CDU „politische Heuchelei“ vor

Die Opposition im Abgeordnetenhaus hat den Senat gestern aufgefordert, wegen des absehbaren 2,4-Milliarden-Defizits schnellstmöglich einen zweiten Nachtragshaushalt für 1996 in Angriff zu nehmen. Eine solche Revision der Etatzahlen könne das Abgeordnetenhaus binnen eines Monats verabschieden, sagte Michaele Schreyer (Bündnis 90/Die Grünen). Das sei besser, als „die Stadt über Monate hinweg mit einer Haushaltssperre zu malträtieren“. Auch die PDS ist gegen den „haushaltswirtschaftlichen Ausnahmezustand“ einer Etatsperre, betonte Fraktionschef Harald Wolf.

Ein erneuter Nachtragshaushalt würde in diesem Jahr nicht mehr wirksam werden, entgegnete Finanzsenatorin Annette Fugmann- Heesing (SPD). Sie halte daher an der Haushaltsperre ebenso fest wie an dem „absoluten Einstellungs- und Beförderungsstopp“. Kritisiert wurde die Sperre, die nur noch gesetzlich und vertraglich gebundene Ausgaben zuläßt, auch von den Bezirken, dem Beamtenbund und der Gewerkschaft der Polizei.

Wie berichtet hatte die Finanzsenatorin das zu erwartende Defizit am Ende des Haushaltsjahres 1996 auf 2,4 Milliarden Mark prognostiziert. Es entsteht nach Angaben der Finanzverwaltung durch Mindereinnahmen von einer Milliarde Mark (darunter 500 Millionen an Steuern) sowie durch Mehrausgaben von etwa 1,4 Milliarden Mark. Die größten Ausgabebrocken seien die Sozialhilfe (500 Millionen) sowie überzogene Investitions- und Sachmitteltöpfe (850 Millionen). Entgegen ihrer Ankündigung berichtete die Senatorin gestern nicht, welche Ressorts die Kürzungsvorgaben nicht eingehalten haben.

Die bündnisgrüne Finanzsprecherin Michaele Schreyer schätzt die Steuerverluste auf 2 Milliarden Mark. Sie kritisierte, daß sich Fugmann-Heesing im Senat nicht mit dem Verzicht auf Großprojekte wie den Messeausbau (800 Millionen Mark) und die Olympia- Schwimmhalle (270 Millionen) habe durchsetzen können. Bei der Messe sei lediglich an den Sanitäranlagen gespart worden. „Das ist nun wirklich keine Leistung“, sagte Schreyer.

Überraschend zurückhaltend äußerte sich der CDU-Fraktionsvize Volker Liepelt. Die Haushaltssperre sei „unausweichlich“, sagte Liepelt, der den Sparkurs zunächst „fundamentalistisch“ genannt hatte. Liepelt schlug unter anderem vor, Jugendpflege nicht mehr in Heimen, „sondern in betreuten Wohngemeinschaften“ zu machen. Das sei günstiger. Es sei „politische Heuchelei, wie die CDU in den letzten Tagen aufgetreten ist“, übte PDS-Sprecher Wolf Kritik. Die CDU habe „systematisch blockiert“, Großprojekte zurückzustufen, und spiele sich nun als „das soziale Gewissen“ der Stadt auf. Christian Füller

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