: „Der Druck auf die Partei wird erhöht“
■ Für die Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth ist die Einführung des Frauenquorums eher eine Übergangsregelung. Langfristig hofft sie auf mehr als ein Drittel Frauenbeteiligung
taz: Frau Präsidentin, werden Sie auf dem CDU-Parteitag in Hannover für die Einführung eines Frauenquorums stimmen?
Rita Süssmuth: Die Frage überrascht mich, aber selbstverständlich, ja, ich werde dafür stimmen.
Warum?
Wir brauchen angesichts der zu geringen Beteiligung von Frauen zunächst für eine Übergangszeit Regeln für die Sicherung einer höheren Beteiligung. Da ist die vorgesehene Beteiligung von einem Drittel nicht ein oberer, sondern ein unterer Rahmen.
Aber genau diese Sicherung wird ja durch den jetzt vorliegenden Antrag nicht erreicht. Der Antrag auf dem CDU-Parteitag letztes Jahr in Karlsruhe, der dann durchgefallen ist, hat eine bestimmte Zahl von Frauen beispielsweise in Parteiämtern garantiert. Dem jetzt vorliegenden Antrag zufolge kann im zweiten Wahlgang theoretisch auch eine reine Männerliste aufgestellt werden. Was bleibt da noch von der Reform?
Der vorgelegte Quorumsbeschluß ist ein Kompromiß, keine Quotenregelung pur. Das Modell von Hannover ist ergebnisorientiert und strebt die Quote von einem Drittel Frauen an. Die Wahl ist ungültig, wenn das Drittel nicht erreicht wird. Von diesem Mittel erwartet man sich, daß der Druck auf die Partei erhöht wird, zu diesem Mindestdrittel auch zu kommen.
Aber das gilt ja nur für den ersten Wahlgang. Im zweiten Wahlgang muß auf das Geschlecht der Kandidaten keine Rücksicht mehr genommen werden.
In der Tat ist das eine offene Flanke. Wenn das Drittel im ersten Wahlgang nicht erreicht wird, dann gibt es kein weiteres Druckmittel mehr. Aber es gibt ein Gegenargument: Wie viele Verbände halten es denn durch, im zweiten Wahlgang der Öffentlichkeit deutlich zu machen, daß sie nicht genug Frauen haben? Jedes Gremium wird sich genau überlegen, was es dann hinterher der Presse sagt. Es geht bei dem Modell mehr um den öffentlichen Weg als um verfahrensrechtliche Sanktionen.
Macht es Sie nicht nachdenklich, wenn sogar eine erklärte Quotengegnerin wie Ihre Parteikollegin Erika Steinbach jetzt sagt, der neue Entwurf sei „erträglicher“, und sie werde sich nicht mehr dagegen wenden, um „das leidige Thema vom Tisch zu haben“?
Natürlich ist das ein „leidiges“ Thema. Ich bin auch jahrelang davon ausgegangen, wir könnten ohne solche Verfahren zu einer angemessenen Beteiligung von Frauen kommen, und habe auf das Freiwilligkeitsprinzip gesetzt. Aber ich habe lernen müssen, daß es auf der Basis der Freiwilligkeit nur sehr schleppend geht. Das Quorum ist ja nicht Selbstzweck, sondern es geht über parteipolitische Belange hinaus. Es geht um politische Beteiligung und Politikgestaltung von Frauen in allen Politikbereichen.
Ihr Mitstreiter, CDU-Generalsekretär Peter Hintze, nannte den Entwurf vom Vorjahr damals einen „dritten Weg“ zwischen einer „starren Quote“ und einem „herzlich gemeinten politischen Appell, der letztlich nicht greift“. Worin unterscheidet sich Ihrer Ansicht nach der jetzige Antrag denn noch vom „herzlich gemeinten Appell“?
Ich habe nie bestritten, daß der Antrag ein Kompromiß ist. Das war der Antrag in Karlsruhe aber auch. Ich halte den jetzigen Entwurf nicht für einen Rückschritt. Über zehn Jahre lang haben wir mit unseren Beschlüssen den herzlich gemeinten Appell praktiziert. Wenn ich zwischen allem abwäge, dann muß ich sagen: Warten Sie mal zwei bis drei Jahre ab. Die Ergebnisorientierung des Modells läßt für mich die Prognose zu, daß es auf diese Weise zu einer Erhöhung der Beteiligung von Frauen kommt.
Fürchten Sie, daß jetzt Quotengegner in der CDU aus Trotz den Antrag oder weibliche Kandidatinnen blockieren?
Ich setze darauf, daß die Partei so klug ist, dies nicht zu tun. Über den Antrag wird vor den Wahlen zu Präsidium und Vorstand entschieden. Ich hoffe darauf, daß der Antrag positiv entschieden wird. Dann ist der nächste Punkt, dies auch bei den Wahlen entsprechend umzusetzen.
Und wenn auch dieser Antrag durchfällt?
Dann wird damit das falsche Signal an viele Frauen ausgegeben. Seit der Diskussion über das Quorum hat sich in vielen Landesverbänden ja schon etwas bewegt. In Schleswig-Holstein, im Saarland, in Nordrhein-Westfalen, da ist die Zahl der Mandatsträgerinnen deutlich gestiegen. Das gilt allerdings nicht überall, zum Beispiel nicht für Berlin.
Worauf führen Sie das zurück?
Das fragen Sie mal die Berliner.
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