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Jedes fünfte Schiff verschnitten

■ Hennemanns Vorgänger an der Vulkan-Spitze, Wolf-Elmar Warning, vor dem Untersuchungsausschuß: Im Vorstand war niemand für Rationalisierung

Nur fünf Monate hielt es Wolf-Elmar Warning 1987 an der Spitze des Vulkan-Verbundes aus. Dann übernahm Friedrich Hennemann das Ruder. Der Neuling aus Hamburg wurde abserviert, weil er die alte Ordnung beim Vulkan durcheinanderzubringen drohte, dessen Verluste stets vom Land Bremen übernommen wurden. Er habe „mehr über Kosten reden wollen als über Größe des Unternehmens und Arbeitsplätze“, sagte der 61jährige gestern vor dem Untersuchungsauschuß.

Die verantwortlichen SPD-Senatoren Claus Grobecker und Werner Lenz (heute AfB) sahen das offenbar anders: Im September 1986 hatte die Hauptversammlung des Vulkan die Übernahme der maroden Seebeckwerft in den Verbund abgelehnt. Das Land bestand auf einer Eingliederung der Seebeckwerft und versüßte den Druck auf den Konzern mit einer Kapitalerhöhung für den Vulkan von 150 Millionen Mark.

Wenig später stieg der bisherige Staatsrat Hennemann als Vorstandsvorsitzender bei Seebeck ein und wurde Finanzvorstand beim Verbund. Der damalige Aufsichtsratsschef Detlev Rohwedder, später als Treuhand-Chef Opfer von Terroristen, nahm wegen der Seebeck-Übernahme seinen Hut. Laut Warning hatte er seinerzeit gesagt: „Die Werft ist völlig pleite und würde den Verbund äußerst belasten. Das Land sollte den Schiffbau doch gleich als Regie-Unternehmen führen und nicht so tun, als ob es eine eigenständige AG wäre“.

Auch Warning hatte bald Aha-Erlebnisse. „Mir wurde schnell klar, ich stand einem Verein vor, bei dem es anders zugeht als in normalen Aktiengesellschaften“. Wenn er zum Beispiel morgens etwas mit Werft-Chef Schwarz besprach, stand nachmittags der Betriebsrat auf der Matte, um Einfluß zu nehmen. Warning, hanseatisch zurückhaltend: „Bei dem Konzern war der Gedanke der industriepolitischen Sicherung von Arbeitsplätzen eher unternehmerisches Ziel als die Sicherung der Überlebensfähigkeit durch Erzielung von Gewinnen“. Die damit verbundene Einstellung „egal was wir tun, wir bleiben doch auf Zuschüsse von außen angewiesen“ habe sich vom Vorstand bis auf die Lehrlinge übertragen. Die Produktivität lag zehn Prozent unter der HDW in Kiel.

Jurist Warning sah, wo es auf der Vulkan-Werft mangelte. Die Technik und die Organisation waren auf dem Stand der sechziger Jahre: „Die hatten beim Stahlbau einen Verschnitt von 20 Prozent. Bei fünf gebauten Schiffen mußten sie eines wegschmeißen.“ Es gab kaum computergestützte Konstruktion, die Ingenieure hatten keine eigenen Rechner auf dem Tisch. Das Rechnungswesen spuckte nur nach „gebührender Verspätung aus“, daß die Schiffsneubauten noch mehr Verluste einbrachten als sowieso schon einkalkuliert waren. Die Maschinenfabrik hätte man wegen horrender Verluste sofort schließen müssen, sagte Warning.

Laut Warning gab es im Vorstand jedoch nie eine geschlossene Front, um Rationalisierung gegen die Arbeitnehmervertreter durchzusetzen. Wegen „tiefgreifender Differenzen zu seinen Vorstandskollegen“ schied Warning dann nach fünf Monaten im September 1987 aus dem Amt. Er hatte in eigener Regie in Italien über Aufträge für zwei Passagierschiffe verhandelt. Seine Kollegen wollten beim Containerschiffbau bleiben und servierten den Neuling ab. Sie verließen sich lieber auf den stetigen Fluß von Staatsgeld, den ihnen Friedrich Hennemann garantierte.

Nicht alle Werftarbeiter Bremens kamen aber in den Genuß der gleichen staatlichen Fürsorge. Der zweite Zeuge des Tages, der ehemalige Chef der AG-„Weser“, Peter Giesers, berichtete von eklatanter Ungleichbehandlung. So hätten Anträge auf Landes-Bürgschaften der AG Weser monatelang in der Behörde geschmort. „Beim Staatsbetrieb Vulkan genügte ein Anruf“.

Auch als die AG-„Weser“ 1983 schließen mußte, hat die Landesregierung laut Giesers den Vulkan bevorzugt. Der Krupp-Konzern wollte nach Verlusten von 230 Millionen Mark in vier Jahren aussteigen. Der Senat stand vor der Entscheidung, welche Werftarbeitsplätze er retten wollte. Ein Gutachten verglich die Produktivität. Ergebnis laut Giesers: Die Arbeitsstunde kostete in Gröpelingen 49, in Vegesack 54 Mark. Einen Tag, bevor das Gutachten veröffentlicht werden sollte, verkündete Bürgermeister Koschnick die Schließung der AG-„Weser“.

Joachim Fahrun

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