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Bremische-Verkauf: Koalition kippelt

■ SPD-Basis mobilisiert vor Parteitag gegen Privatisierung / Nölle droht mit Koalitionsbruch

Die Große Koalition trudelt auf eine schwere Krise zu. Gestern hat Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU) der SPD mit dem Bruch des Regierungsbündnisses gedroht. Grund: Morgen findet in Bremerhaven der SPD-Landesparteitag statt, auf dem über den Verkauf der „Bremischen“ und der Gewoba abgestimmt werden soll – und in der SPD-Bürgerschaftsfraktion und -Basis regt sich heftiger Widerstand gegen die Verkaufspläne. Die allerdings sind schon zwischen den Koalitionären vereinbart worden – findet die CDU. Die SPD hält dagegen die Beschlüsse für „interpretationsfähig“, so die SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Karin Röpke. Das wiederum bringt nun den CDU-Finanzsenator in Harnisch: „Wenn die SPD nicht einschwenkt, dann steht die Koalition zur Debatte“, sagte Nölle gestern in einem Interview mit Radio 107.1. Die Reaktion kam prompt. Karin Röpke: „Nölle soll doch nicht glauben, daß wir uns von ihm erpressen lassen.“

Zur Erinnerung: Gleich drei Gremien hatten die Privatisierungspläne für die „Bremische“ abgesegnet. Senat, Koalitionsausschuß und Finanzdeputation hatten einem Verkauf von bis zu 49,9 Prozent der städtischen Anteile an der Wohnungsbaugesellschaft zugestimmt. Und weil die CDU gerne mehr verkaufen wollte, handelte sie der SPD einen Kompromiß ab. Die Stadt bleibt zwar Mehrheitsgesellschafterin, dafür aber übernimmt die Minderheitsgesellschafterin die Führung des Unternehmens. Konkret: Bei allen strittigen Fragen hat die neue Gesellschafterin das Recht der „Stichentscheidung“ – also das letzte unternehmerische Wort. So die Interpretation der CDU. Aus SPD-Sicht stellen sich die Themen „Stichentscheid“ und unternehmerische Führung ganz anders dar: Der Koalitionsausschuß habe lediglich die Beteiligung der Minderheitengesellschafterin an der unternehmerischen Führung beschlossen. Das aber, so heißt es nun aus dem SPD-Hauptquartier, bedeute nicht automatisch das Letztentscheidungsrecht. Röpke: „Wir prüfen jetzt, ob der Stichentscheid juristisch überhaupt zu halten ist.“

Dabei ist diese politische Linie noch die Soft-Variante sozialdemokratischer Kritik. Nicht wenige wollen den Verkauf ganz verhindern. Gestern morgen noch hatte die „Initiative gegen den Verkauf von Bremischer und Gewoba“ mehr als 13.000 Unterschriften beim Bürgerschaftspräsidium abgegeben, um eine Parlamentsdebatte zum Thema zu erzwingen. Mit von der Initiativen-Partie sind reichlich SozialdemokratInnen. Zum Beispiel der Anwalt Jürgen Maly, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Buntentor. „Die CDU ist auf dem Privatisierungstrip und treibt damit die SPD durchs Dorf“, ärgert er sich. Seine Marschroute für den Parteitag: „Unser oberstes Ziel ist es, den Verkauf zu kippen.“

Der sei wohl prinzipiell kaum zu verhindern, aber mindestens müsse der Stichentscheid vom Tisch, so der gemäßigte Flügel. Einer der Protagonisten: Ex-Bürgermeister Klaus Wedemeier. „Ich wende mich nicht gegen den Anteilsverkauf“, sagte er gestern zur taz. „Aber man kann nicht 49,9 Prozent der Anteile verkaufen und gleichzeitig 99,9 Prozent der Entscheidungsbefugnis abgeben.“ Daß der Finanzsenator nun gleich die Koalitionsfrage stelle, „das zeigt nur, daß er nicht souverän genug ist. Da muß Nölle noch viel lernen.“

Was als weniger harte Kritik daherkommt, stößt allerdings auf reichlich harten Widerstand von der CDU. „Der Stichentscheid ist für den Finanzsenator nicht verhandelbar“, sagte gestern Nölle-Sprecher Thomas Diehl. „Übrigens auch nicht für die CDU-Fraktion und die anderen Senatoren.“ J.G.

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