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Greenfee macht auch Mist

Ob Motzen, Groß-Kienitz oder Bärenklau: Der Golfsport erobert das Berliner Umland. Im Schlepptau: Häuslebauer, Country-Clubber, „Land Developer“. In der Stadtmitte spielt man dagegen „Volxgolf“  ■ Von Helmut Höge

Warum heißen die populärsten deutschen Autos eigentlich nicht „Sozialstaat“, „Leistungslohn“ oder wenigstens „Zwickel“, sondern statt dessen: „Fiesta“, „Polo“ und „Golf“?

Bleiben wir beim Golf: Im neuen Sonderheft der Zeitschrift Holiday, die in allen gutsortierten proletarischen Amaretto-Kneipen ausliegt, wird das militärdiktatorisch regierte Birma gerade als „Golf-Traumland“ vorgestellt: Es gibt mehr als fünf Plätze allein in Rangun, Wartezeiten sind dort unbekannt, und Caddy-Girls in hübschen Uniformen legen einem ihre Bälle vor die Füße. Wir hatten seinerzeit schon ein schlechtes Gewissen, als wir einer Einladung auf den ersten deutschen „Volksgolfplatz“ – nahe der oberhessischen Kleinstadt Schotten – folgten. Er war von einem Polsterer namens Schlapp gegründet worden, zusammen mit seinem „nie auf Feierabend schielenden“ Platzwart Herrn Turke.

Am Anfang bestand der Platz nur aus steinigen Äckern und Hangweiden: Man spielte ums Viereck und über die Diagonale. Auf die Weise kam man irgendwann zwar auch auf die international üblichen 18 Löcher, aber wegen des besonders rauhen Vogelsberg-Greens erlaubte der Vereinsvorsitzende Schlapp bald das Besserlegen: eine neue Regel! Viele Golfspieler der ersten Stunde gewöhnten sich mit der Zeit das Besserlegen derart an, daß diese Regel auf dem Volksgolfplatz quasi bis heute gültig ist – wo das Green längst einwandfrei gestaltet wurde.

Auch in Berlin gibt es jetzt eine derartige Spielstätte: Sie nennt sich – zur Erinnerung an einige linksradikale Kreuzberger Sozialeinrichtungen – „Volxgolfplatz“ und wurde ebenfalls von einem Polsterer, von Clemens Bayer, gegründet. 1991 bewarb sich Berlin für die Olympischen Spiele, und der Senat fing sogleich an, dafür das verhaßte und zudem „marode“ Ulbrichtsche Stadion der Weltjugend in Mitte abzureißen. Für einen Wiederaufbau war dann wenig später jedoch kein Geld mehr vorhanden, und so staubte die mehrere Hektar große, geräumte Sandfläche vor sich hin. Kurze Zeit später entdeckte Bayer das Terrain und fing an, darauf einen Übungsplatz („Driving-Range“ genannt) sowie eine Drei-Loch-Anlage anzulegen: „Das sind keine richtigen Greens, dazu ist es zu uneben, wir haben deswegen größere Löcher.“

Im Umland Berlins waren in der Zwischenzeit zwölf Innovationscenter, zwölf Multi-Einkaufscenter – und genauso viele Golfplätze entstanden: einer, der Golfclub Schloß Wilkendorf, ebenfalls als eine Art „Volksgolfplatz“: Man muß nur eine Platzgebühr (Greenfee) zahlen. Der besseren Mitgliederwerbung wegen richteten die Wilkendorfer sich dann auf dem ehemaligen Stadiongelände in Mitte ebenfalls eine Driving- Range ein. Das Bezirksamt wollte jedoch auch andere Sportarten dort ansiedeln und verbot dem Volxgolfclub kurzerhand das Betreiben seines Driving-Range: „Das macht nichts“, meint Clemens Bayer, „wir spielen jetzt auf der Wilkendorfer weiter und kommen auch mit denen ganz gut zurecht. Zum Beispiel machen wir für die das Jugendtraining auf ihrem Driving-Range und hoffen, daß sie dafür unsere Drei-Loch- Anlage mitmähen, die derzeit ungenutzt ist.“

Noch mehr von Solidarität beseelt ist nur die Ein-Loch-Golfanlage des vom Braunkohleabbau schwer bedrohten märkischen Dorfes Horno (bei Cottbus): Dort beträgt der jährliche Mitgliedsbeitrag nur 60 Mark inklusive Greenfee. Und sämtliche Einnahmen kommen dem Kampf der Hornoer gegen ihre Zwangsumsiedlung zugute. In Berlin gibt es zwei Stadtgolfplätze – in Wannsee und Gatow: Sie gehörten früher den Alliierten und sind heute „gemeinnützig“, deswegen dürfen zum Beispiel ihre Clubmitgliedsbeiträge 2.000 Mark im Jahr nicht überschreiten. Im „ältesten deutschen Golfclub“ Wannsee kommt dazu noch eine einmalige Investitionsumlage bis zu 10.000 Mark sowie die Aufnahmegebühr von 3.000 Mark. Während alle anderen Clubs nicht genügend Mitglieder haben, gibt es für die 27-Loch-Anlage in Wannsee eine Warteliste und ein „Handicap von 34“. Und ferner eine starke Unterstützung durch die Bankgesellschaft Berlin sowie die CDU, insbesondere durch den Golfer Klaus-Rüdiger Landowsky, der CDU-Fraktionsvorsitzender und BGB-Vorstandsmitglied ist, dazu sitzt er noch im Lotto-Beirat, dem Topfinanzierungshebel der edlen Sportvereine.

Die Grünen-Politikerin Michaele Schreyer würde gerne den Wannsee-Golfclub etwas bremsen: „Die zahlen der oberen Forstbehörde nur 30 Pfennig pro Quadratmeter für das 56-Hektar-Gelände. Das wird gehandhabt, als wäre es eine öffentliche Nutzung: ,Kann ja jeder dort spielen.‘“ Parallel zur steigenden Zahl von Firmenkonkursen kam es in letzter Zeit auch zu immer mehr Pleiten unter den 475 deutschen Golfclubs. Die gesellschaftliche Bedeutung des Golfs scheint jedoch ungebrochen. Capital führte jüngst eine „Exklusivumfrage unter ausgewählten deutschen Führungskräften“ durch: Zwei Drittel aller EU-Geschäfte ab 154 Millionen Mark Auftragswert laufen über Golfplätze, das heißt, werden beim Golfspiel eingelocht, wobei das golfbedingte Umsatzplus branchenspezifisch differiert: von 28 Prozent (bei Chemie, Computer, Pharma) bis zirka drei Prozent (bei Banken, Versicherungen, Maschinenbau).

In Hauptstadteuphorie und Unternehmensgründungsfieber wurden nach der Wende allein für das Umland Berlins 81 Golfplätze projektiert und beim Potsdamer Umweltministerium zur Genehmigung eingereicht, wie sich ein ehemaliger Mitarbeiter, Dr. Friedrich von Bismarck, erinnert. Zu den erfolgreichsten Golfplatz-Antragstellern gehörte ein Verwandter von ihm: der Ururenkel des Reichskanzlers, Fürst Ferdinand von Bismarck. Er ist Mitgesellschafter des Golf- und Countryclubs am Seddinsee. Das Clubgelände wurde mit einem Villen- Neubauviertel verbunden, das man „Klein-Dahlem“ nennt, weil es bereits sehr viele reiche Dahlemer aus der Stadt dorthin „ins Grüne“ zog, die sich nun direkt an der Golfanlage ein neues Haus bauen lassen. „Die größten Steuerzahler Berlins sind schon hier“, so Geschäftsführer Nicolai A. Siddig, der ebenfalls Gesellschafter ist, dazu noch die Bayern- Hypo-Bank-Tochter Hyporeal. Rechtsanwalt Siddig hat daneben Anteile am Fernsehturm auf dem Alexanderplatz, dessen Kuppel an schönen Tagen wie ein riesiger Golfball glänzt. Der Fürst wiederum hat eine Quelle im Sachsenwald, die unter seinem Namen und mit Golfmotiven vermarktet wird. Die Anlage am Seddinsee umfaßt 230 Hektar und bestand einst aus 164 Grundstücken, die die Investoren mühsam „auf dem Verhandlungswege“ erwerben mußten. Das Land war zuletzt von einer LPG bewirtschaftet worden, die Spargel und Obst anbaute. Der ehemalige LPG-Vorsitzende, jetzt Bürgermeister des Ortes, setzte sich sehr für den Golfplatzbau ein. Seiner Gemeinde wurde dafür von den Betreibern der Bau einer Kita und einer Schule mit einer Million Mark „gesponsert“, außerdem stellten sie seinen Sohn, einen gelernten Melker, als Greenkeeper ein. Die Genehmigung für die Golfanlage wurde in den diversen Ämtern und Behörden äußerst kontrovers diskutiert. Am 5. Mai 1993 entschied schließlich das Kabinett positiv. Da man sich für eine Bebauung im „französischen Landhausstil“ entschied, bekommen die bestehenden grauen Häuschen dreier Altsiedler nun annäherungsweise einen weißen Farbanstrich.

Das Investorentrio sieht sich als „Land-Developer“ im amerikanischen Stil: Die 230 Bauplätze am Rand eines nördlichen und eines südlichen Course kosten zirka 500 Mark pro Quadratmeter. Etwa soviel bekommt man auch in Dahlem derzeit für sein altes Grundstück. Das Schöner-wohnen-Wollen im (brandenburgischen) Grünen hat für die gutbetuchten Westberliner bereits „Trendcharakter“ angenommen, so Siddig. Sein eigenes, bisheriges Besserlegen erklärt der Golflaie damit, daß man „den Leuten Ambiente bieten muß – das sind hier die exquisiten zwei Golfplätze: ,Wir schaffen hier den teuersten Vorgarten für unsere Villen‘, meinen die von der Hyporeal immer.“ Hinzu kommt die Nähe zur Stadt: „30 Minuten sind es nur bis zum Ku'damm!“ Und – „vor allem – der DSW“: ein renommierter Düsseldorfer Wachdienst. Er garantiert eine Rund-um-die-Uhr- Betreuung des Areals der reichen Wessis.

Für die Golfanlage, deren Uferrand öffentlich begehbar bleiben muß, geben die drei Developer Aktien heraus, die einem Jahresclubbeitrag von 30.100 Mark entsprechen: Mit dieser handelbaren und vererbbaren Miteigentümerschaft wird ein generelles Spielrecht erworben, was die Mitglieder jedoch bei Ausübung noch einmal 2.800 Mark jährlich kostet. Der südliche der zwei Golfplätze wurde vom „Golfarchitekten Nummer 1“, Robert Trent Jones II., gestaltet: ein „Meisterwerk! Der ist für den Golf das, was Karajan für die Musik war“, meint Siddig. „Allein für das Greenkeeping haben wir die besten LPG-Mitarbeiter genommen.“ Weiteres Personal wird man bald für das neue Clubhaus und seine Restauration sowie für das Seehotel eines Schweizer Investors einstellen.

Die „Signalwirkungen“ werden also immer aufwendiger: Die Betreiber des Motzener Clubs (u.a. der Baukonzern Philipp Holzmann) führten sogar schon Politiker und Industrielle per Sonderluxuszug an ihr Golf- und Wohnobjekt am See heran. Ihre zwischen 150.000 und 400.000 Mark teuren Eigentumswohnungen heißen „VIP-Lounge“ und „18. Loch“. Den Motzener Heimatverein sponserten sie großzügig, Dorfchronistin Hilde Waßmuth meint: „Der ganze Ort profitiert von den Herren im Club“. Seddin-Geschäftsführer Siddig bleibt jedoch gelassen: „Der Motzener Golfclub und ähnliche Anlagen sind keine Konkurrenz für uns, die meisten sind zu weit weg für reiche Westberliner.“ Der Kampf um die zahlungskräftigsten Mitglieder wird am Ende vielleicht zwischen seiner und der schon Polen nahen Anlage in Bad Saarow ausgetragen. Auf dem Gelände des Sporting Clubs am Scharmützelsee planen Bernhard Langer und Arnold Palmer die Golfanlagen, Paul Schocke

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möhle den Reitbetrieb und Kempinski die Gastronomie. Zu den Investoren zählt der Schlagerstar Jack White, dessen Frau Clubpressesprecherin ist.

Auf einer Konferenz des Westberliner Wirtschaftssenators über die Perspektiven des Wirtschaftsstandorts führte der Berliner Siemens-Vertreter Erich Gérard aus: „Die Nachkommen unseres Unternehmensgründers sind in Bayern, am Starnberger See, groß geworden und fühlen sich heute dort sehr wohl.“ Deswegen müsse „das Havelland auch so werden wie das Münchner Umland“, erst dann könne über eine Rückverlagerung der Konzernzentrale nach Berlin nachgedacht werden. Insbesondere beschwerte sich der Münchner Siemens-Vorposten über die Potsdamer Regierung, die ihm signalisiert hatte: „Wir wollen hier keine Schickimicki-Siedlungen.“ Nicht verhindern konnten sie neben den bereits erwähnten die Plätze in Kemnitz bei Potsdam, Kallin, Tremmen, Semlin am See, bei Phöben, in Prenden, in Mahlow und in der Stolper Heide, ferner die Sechs-Loch-Anlage des Countryclubs Gut Seeburg sowie die demnächst eröffnenden Plätze in Bärenklau und Groß-Kienitz.

Weltweit gibt es inzwischen rund 25.000 Golfplätze. Zusammengenommen bedecken sie eine Fläche von annähernd der Größe Belgiens. Allein in den USA tummeln sich 50 Millionen Golfspieler und in Japan 12 Millionen – sie gaben 1988 etwa zehn Prozent des Bruttosozialprodukts für Clubgebühren aus. Die japanische Umweltagentur schätzt, daß „jährlich bis zu 5.000 Hektar Wald“ dem Bau neuer Golfplätze zum Opfer fallen. Stellenweise führte dies bereits zu ernsten Wasserproblemen. Überdies werden auf US-Golfplätzen bis zu siebenmal mehr Pestizide eingesetzt als auf vergleichbaren Landwirtschaftsflächen.

Für die ehemalige grüne Senatorin für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Michaele Schreyer, die sich durchaus für den Volxgolfplatz in Mitte begeistern kann, ist erst einmal der niedrige Pachtzins für die städtischen Golfplätze von Übel: „Solche Subventionen dürfen einfach nicht zu den ,Kernaufgaben des Staates‘ zählen.“ An den Golfplätzen im Umland mißfällt ihr vor allem, daß die Gemeinden von den Investoren zu oft „über den Tisch gezogen wurden: Die wollten nicht ihre ganzen Freiflächen versiegeln – also zu Gewerbeparks etwa umwidmen – und haben das Land deswegen gerne an Golfplatzbetreiber verkauft, für die das teilweise jedoch bloß Vorratsflächen sind, auf denen sie später Luxuswohnungen bauen. Da die Gemeinden das jedoch nicht als Bauland verkauft haben, sind sie schlichtweg angeschmiert worden.“ Ausgetrickst wurden oft auch die Finanzämter: Viele Golfclubs machten sich mit niedrigen Jahresbeiträgen „billig“ – und damit körperschaftsteuerbefreit „gemeinnützig“, daneben trieben sie jedoch noch jede Menge Spenden und Umlagen ein. Nachdem der Bundesrechnungshof darin einen „Umgehungstatbestand“ entdeckt hatte, beschloß die Bonner Regierung nun, sämtliche Golfplätze als „gemeinnützig“ anzuerkennen.

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