: Der Öko-Aldi als Schreckgespenst
■ Die klassischen Food-Coops haben sich auf dem Markt etabliert. Aber neue, clevere Einkaufsangebote für Öko-Normalverbraucher machen ihnen zunehmend Konkurrenz
Vor Jahren sorgten die Food- Coops in der Alternativ- Szene für Wirbel. „Viele Bioläden haben zu den Großhändlern gesagt, daß sie uns nicht beliefern sollen“, erzählt Stefan Schrom, einer der Pioniere der Coop-Bewegung in Ostberlin. Inzwischen haben sich die Food- Coops in Berlin etabliert und müssen nun ihrerseits mit Neulingen in der Ökoszene konkurrieren: „Einkaufsgemeinschaften“ haben die Idee der Coops aufgegriffen und weiterentwickelt.
„Klassische Food-Coops“ gibt es seit Anfang der achtziger Jahre in Berlin. Heute sind es etwa hundert. Das Prinzip ist überall gleich: Leute tun sich zusammen, um Lebensmittel beim Biobauern einzukaufen. „Wir haben etwa 20 Mitglieder“, sagt Eva Koernicke von der Food-Coop Alma in Mitte. Unter ihnen gibt es Studierende, aber auch gestandene Bauunternehmer. Jeden Dienstagmorgen liefert ein Bauer aus Fürstenwalde Eier, Milch oder Brot an. Abends holen sich die Mitglieder die Waren ab. Und sie tragen in eine Liste ein, was für nächste Woche bestellt werden soll.
Reihum muß jeder einen Job übernehmen: Kontakt mit dem Landwirt halten oder den Verkauf organisieren. „Bei unserer Food- Coop weiß ich genau, wo die Ware herkommt“, sagt Eva Koernicke. „Zweimal im Jahr besuchen wir den Landwirt.“
Doch nicht jeder, der gerne preiswerte Bio-Milch kauft, stapelt in seiner Freizeit gern Kisten. Ludwig Riesebeck erinnert sich an seine Zeit bei einer Food-Coop: „Irgendwann kann es leicht einen toten Punkt geben, ähnlich wie bei einer WG. Dann ist die erste Begeisterung verflogen, und die ganze Arbeit bleibt an drei Leuten hängen.“ Die Food-Coops stoßen seiner Meinung nach an eine Grenze: Sie seien für Leute gedacht, die zwar nicht viel Geld, aber dafür Zeit haben. Heute arbeitet Riesebeck daher in der „Einkaufskooperative“ LPG in Kreuzberg. Sie funktioniert wie ein Club: Die 500 Mitglieder zahlen als Kredit 100 Mark Einlage und monatlich etwa 25 Mark Beitrag. Dafür können sie verbilligt in einem Mitgliedershop Ökokost kaufen. Ein Pfund Butter kostet 2,90 Mark, ein Liter Milch 1,60 Mark, ein Kilo Sesambrot 3,90 Mark. Um Verkauf und Lieferung kümmern sich Profis. „Hier kaufen weniger Ökoexperten, sondern mehr ganz normale Leute ein“, sagt Landwirtin Verena Zielke, die den LPG-Laden beliefert. Dennoch seien die Kunden nicht nur daran interessiert, ihren Einkaufskorb mit ökologischen Lebensmitteln vollzustopfen: „Vor kurzem habe ich dort zum Beispiel einen Informationstag zum Thema Kräuter abgehalten“, sagt sie.
Coop-Pionier Stefan Schrom hält die Einkaufsgemeinschaften für „eine clevere Idee“. Doch er gibt zu bedenken: „Die Leute, die das betreiben, wollen vor allem Geschäfte machen.“ Und sie kämen der Bequemlichkeit der KundInnen sehr entgegen: „Die brauchen sich um nichts zu kümmern und kaufen dort ein wie bei einem Bio-Aldi.“
Der „Wurzelwerk e. V.“, den Stefan Schrom mitgegründet hat, ist in gewisser Weise ein Mittelding aus Food-Coop und Einkaufsgemeinschaft. Mitarbeiterin Maren Wernitzsch beschreibt das Ziel des Vereins so: Sie wollten das System der Food-Coops weiterentwickeln, aber den politischen Hintergrund nicht aufgeben. Ähnlich wie in einer Einkaufsgemeinschaft können die rund 150 Vereinsmitglieder preiswert Ökoprodukte kaufen, ohne daß sie sich reihum um Verkauf und Buchführung kümmern müssen. Doch alle Mitglieder tragen die Verantwortung, wenn wichtige Entscheidungen anstehen. Wernitzsch gibt allerdings zu, daß sich auch dieser Verein nicht allein von reinen Idealisten tragen läßt. Er müsse über diesen engen Kreis hinaus Menschen ansprechen: „Öko-Normalverbraucher haben nun mal wenig Lust darüber zu diskutieren, wie man Mangos umweltfreundlich anbaut.“ Christoph Schäfer
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