„Kohl muß eingeweiht gewesen sein“

■ Der BND-Experte und Leiter des Forschungsinstituts für Friedenspolitik in Weilheim, Erich Schmidt-Eenboom, zum Fall Werner Mauss: Schmidbauer fehlt es an politischer Reife

taz: Herr Schmidt-Eenboom, teilen Sie die Auffassung aus FDP-Kreisen in Bonn, Geheimdienstkoordinator Schmidbauer habe im Fall Mauss Außenpolitik an Klaus Kinkel vorbei gemacht?

Erich Schmidt-Eenboom: Der Vorwurf der Nebenaußenpolitik wäre nur gerechtfertigt, wenn Herr Schmidbauer und der Bundesnachrichtendienst die Friedensbemühungen mit der kolumbianischen Guerilla ohne Rückendeckung des Kanzlers vollzogen hätten. Ich gehe aber davon aus, daß Herr Kohl voll in diesen Prozeß eingeweiht ist und auch hinter der Zielrichtung steht. Insofern haben wir es hier mit einer Form paralleler Außenpolitik zu tun, die in der Geschichte der Koalitionsregierungen in der Bundesrepublik die Regel ist. So hat der SPD-Kanzler Helmut Schmidt die Frage der Ostpolitik und des Verhältnisses zu den USA gegenüber dem Außenminister als seine Domäne behauptet. Auch Kohl hat die Einheits-Verhandlungen mit der UdSSR und den europäischen Integrationsprozeß zur Kanzlersache erklärt.

Zu Schmidbauer schweigt Kohl beharrlich. Wird der Geheimdienstkoordinator zum Bauernopfer?

Kohls Zurückhaltung liegt sicherlich daran, daß Schmidbauer die außenpolitische Komponente vermischt hat mit den Tätigkeiten des „Gewohnheitsverbrechers“ Mauss.

Handelte das Auswärtige Amt eigentlich einheitlich? Der deutsche Botschafter in Bogota stellte ja erst einen sogenannten Schutzbrief für Mauss aus, als sich Kinkels Staatssekretär Peter Hartmann massiv einschaltete.

Das Wissen von Herrn Hartmann darf man nicht gleichsetzen mit dem Kenntnisstand des Bundesaußenministers. Es gibt seit langem enge Beziehungen zwischen Hartmann und dem BND-Residenten in Madrid, Herrn Fischer- Hollweg, der mit Mauss in Kontakt stand. Hartmann wiederum war derjenige, der den bis Ende der 70er Jahre für die Adenauer-Stiftung in Lateinamerika tätigen Fischer-Hollweg zum BND herübergeholt hat.

Nun dürften Hartmann und Kinkel als Ex-BND-Chef ohnehin um den schlechten Leumund von Mauss gewußt haben.

In der Tat. Klaus Kinkel hat als BND-Präsident im Spätsommer 1979 teilweise widerstrebend einen Jahresvertrag über 650.000 Mark mit Mauss abgeschlossen. Für diesen Vertrag, der die Suche nach den Schleyer-Terroristen beinhaltete, spendete die deutsche Industrie 400.000 Mark. Ein Umstand, für den Kinkel später im Bundestag gerügt worden ist, weil er gegen die Haushaltsordnung verstieß. Auch im November 1992 dürfte Kinkel erneut auf Mauss aufmerksam geworden sein, als die belgischen Behörden wegen einer Bestechungsaffäre einen internationalen Haftbefehl gegen den Privatagenten ausstellten.

Schneidert sich Schmidbauer eine neue außenpolitische Rolle zurecht?

Beginnend mit den Verhandlungsbemühungen Israel-Iran versucht er sich als „nationaler Sicherheitsbeauftragter“ nach US-Vorbild zu profilieren. Dafür bekommt er politische Rückendeckung, weil die Bundesrepublik mit ihrem Anspruch auf einen ständigen Sitz im UNO-Weltsicherheitsrat als global wirkende Mittelmacht auf politische Prozesse einwirken will. Der Unterschied Schmidbauers zu den in Geheimdiensten, Universitäten und dem State Departement geschulten US- Experten ist: Aufgrund seines Werdegangs – Studiendirektor, Umwelt-Staatssekretär, Geheimdienstkoordinator – fehlt es ihm an politischer Reife. Gerade das Beispiel Kolumbien zeigt, wie sehr er die Notwendigkeit einer Abstimmung mit den USA unterschätzt hat. Die USA hätten Druck auf jene Kräfte in Kolumbien ausüben können, die eine friedliche Lösung, sei es mit der Guerilla oder den Drogenbaronen, favorisieren. Interview: Severin Weiland