Eine Bilanz nach den ersten elf Monaten im Amt: Das Phantom im Senat
■ Beate Hübner ist ein klassisches Opfer der Frauenquote
Politikerin aus Leidenschaft ist Beate Hübner nicht gerade. „Am liebsten bin ich Mutter“, erklärte die 41jährige Sozial- und Gesundheitssenatorin in einem Fernsehinterview mit B1. Doch für ihre vier Kinder im Alter zwischen 2 und 18 Jahren hat die CDU-Politikerin nicht mehr allzuviel Zeit, seit sie der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen am 25. Januar überraschend in den Senat berief.
Den rasanten Aufstieg verdankte die CDU-Hinterbänklerin vor allem zwei Eigenschaften: Sie ist eine Frau und aus dem Osten. Die ideale Kombination für Diepgen, der zunächst nur vier Westmänner für Senatorenposten aufzubieten hatte.
Doch auch im Senat spielt Hübner weiterhin die Rolle der Hinterbänklerin. „Sie ist zu unscheinbar, tritt politisch zu wenig in Erscheinung“, kritisiert der bündnisgrüne Gesundheitsexperte Bernd Köppl. „Sie ist ein Phantom.“ Der bündnisgrüne Sozialexperte Michael Haberkorn hält Hübner gar für „eine krasse Fehlbesetzung“.
Ihre Bilanz nach elfmonatiger Amtszeit ist mager. Als größte Erfolge nennt sie die „termingerechte Verabschiedung des Landespflegeplanes“ und das Zusammenführen der beiden Senatsverwaltungen für Gesundheit und Soziales. Routineaufgaben, aber nichts, woraus sich eine Zielrichtung erkennen ließe.
Statt dessen mußte sie einige Schlappen einstecken. Diepgen pfiff sie zurück, als sie den Beschäftigten im „Hilfe zur Arbeit“-Programm im Krankheitsfall den Lohn kürzen wollte. Hübner war den Vorgaben ihrer Rechtsabteilung gefolgt, ohne zu erkennen, daß die korrekte juristische Auslegung von Bonner Gesetzen noch lange keine kluge politische Position ausmacht. Das Gezerre um den Erhalt der BVG-Sozialkarte zog sich im Sommer über Wochen hin. Als Hübner und ihre Staatssekretärin für Soziales, Verena Butalikakis, schließlich beide in Urlaub fuhren und Staatssekretär Detlef Orwat die Verhandlungen mit der BVG übernahm, kam es endlich zu einem Kompromiß. Ende Februar 1997 läuft die Regelung aus, und noch ist völlig unklar, wie es weitergehen soll.
Wer erwartet hatte, daß Hübner sich während der Haushaltsberatungen öffentlich für den Erhalt sozialer Leistungen einsetzt, wurde enttäuscht. Statt dessen macht sie sich zur Erfüllungsgehilfin des Sozialabbaus. Ihr Vorstoß, die Sozialarbeiter in den Sozialstationen nicht länger zu finanzieren und damit der sozialen Beratung den Geldhahn abzudrehen, stieß bei CDU- und SPD-PolitikerInnen im Sozialausschuß gleichermaßen auf Widerspruch. Und ihre Pläne, ein umstrittenes Abrechnungssystem für Pflegeleistungen einzuführen, führte zu einer beispiellosen Geschlossenheit von CDU, SPD, PDS und Grünen, die sich in einem gemeinsamen Antrag im Abgeordnetenhaus dagegen aussprachen.
Durchsetzungsvermögen, politische Ideen und der Mut, diese umzusetzen, sucht man bei Hübner vergeblich. Sie ist eine typische CDU-Quotenfrau: vorgeschoben auf einen Posten, der für sie zwei Nummern zu groß ist. Sie hat weder eine Hausmacht in der CDU, noch hat sie Verwaltungserfahrung. Mit Detlef Orwat hat sie noch dazu einen Macher als Staatssekretär, der gerne die Fäden in der Hand hält.
Unter diesen Bedingungen wird Hübner zum klassischen Opfer der Quote. Selbst auf ihrem Lieblingsgebiet Behindertenpolitik hat sie bislang nichts zustande gebracht, stellen Behindertenvertreter enttäuscht fest. Aus der ÖTV heißt es, Hübner lasse „keine Konturen erkennen“. Nur die Ärztekammer beurteilt ihre bisherige Amtsführung positiv: „Sie sorgt für Ausgleich, Offenheit und Gespräche“, lobt der stellvertretende Vorsitzende Günther Jonitz die Senatorin. Es gebe weitaus mehr Kontakte und Gespräche mit der Ärztekammer als früher. Ob es ihr mit der Zusammenarbeit ernst sei, werde sich bei der Verabschiedung des Krankenhausplans 1997 zeigen. Dorothee Winden
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