: Gesprächsmarathon
■ Nach dem Anschlag von Hebron fordern die Palästinenser bei den Verhandlungen mehr Schutz für die Bevölkerung
Jerusalem/Hebron (AFP/AP) – Wegen anhaltend strittiger Punkte im geplanten Abkommen über die Umgruppierung der israelischen Armee in Hebron war der Zeitpunkt des seit Tagen angekündigten Treffens zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Jassir Arafat gestern nachmittag weiter unklar. Israelis wie Palästinenser machten das Treffen von der Einigung ihrer Unterhändler abhängig.
Der israelische Rundfunk hatte am Morgen gemeldet, das Treffen werde noch am Abend stattfinden. Netanjahus Sprecher David Bar- Ilan schloß dies nicht aus. Der palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erekat dagegen sagte, er wisse nichts von einem Treffen. Es gebe immer noch Probleme, darunter die gemeinsamen Patrouillen am Grab der Patriarchen sowie der Abzug der Armee aus den ländlichen Gebieten des Westjordanlandes. Nach Angaben israelischer Sicherheitskreise fordern die Palästinenser nach dem Attentat vom Mittwoch auch eine stärkere Präsenz palästinensischer Polizisten in den potentiellen Spannungsgebieten zwischen jüdischen Siedlern und palästinensischer Bevölkerung.
In Hebron erhoffen sich vor allem die rund 40 palästinensischen Familien und Ladenbesitzer entlang der Straße der Märtyrer komkrete Verbesserungen von dem Abkommen. Ihr Pech ist es, daß die Straße mitten durch das jüdische Viertel der Stadt im Westjordanland führt. Jeder Rückschlag in den israelisch-palästinensischen Beziehungen wirkt sich ummittelbar auf das Leben der Menschen dort aus. In den letzten drei Jahren ist in der einst sehr belebten Durchgangsstraße beängstigende Ruhe eingekehrt.
Die wirklich schlechten Zeiten begannen für die Anwohner mit dem Massaker eines israelischen Siedlers im Februar 1994. Nach dem Mord an 29 betenden Palästinensern in der Ibrahim-Moschee der Stadt sperrten die israelischen Behörden die 250 Meter lange Straße für alle Fahrzeuge mit palästinensischem Kennzeichen. An drei Stellen wurden Straßensperren errichtet, an denen arabische Passanten von israelischen Soldaten überprüft werden. 17 Wohnungen stehen inzwischen leer, und rund 50 Läden wurden in den letzten Jahren geschlossen. Jene Geschäftsleute und Anwohner, die ausgeharrt haben, hoffen, daß die Geduld sich auszahlt und das Hebron-Abkommen die Straße endlich mit neuem Leben erfüllt.
Die Vereinbarung sieht vor, daß die israelischen Soldaten 80 Prozent der Stadt räumen, in der rund 500 jüdische Siedler unter rund 130.000 Palästinensern leben. Die Straße der Märtyrer soll erst innerhalb von vier Monaten nach Vertragsunterzeichnung wieder für alle geöffnet werden und steht für die vielen Schwierigkeiten, die in den Verhandlungen zu überwinden waren. Die Straße verläuft durch das jüdische Viertel in der Innenstadt, das jedoch kein geschlossenes Gebiet ist, sondern aus sechs Wohngebieten besteht, in dem neben den 500 Juden auch mindestens 20.000 Araber leben.
„Ich verfolge die Verhandlungen sehr genau“, sagt der 44jährige Hussein Schabaneh, der an der Schuhada ein Fitneßstudio betreibt. „Sie sind so wichtig für mich. Wenn sie die Straße wieder öffnen, wird wieder Leben einkehren“, meint er, während sich in dem gut ausgestatteten Studio nur seine beiden halbwüchsigen Söhne tummeln. Wie zur Erklärung für die Ruhe weist er auf mehrere eingeworfene Fensterscheiben, die von jüdischen Siedlern und Palästinensern, deren Steine das Ziel verfehlten, zerstört wurden.
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