: Knabbern am gordischen Knoten
■ Die vielfältigen Probleme um die Kampnagel-Randbebauung scheinen mit etwas gutem Willen von allen Seiten jetzt lösbar
Die Ampel zur Bebauung des Kampnagelgeländes stehe auf Grün, erklärte Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow bei der Präsentation des Wettbewerbsergebnisses am Dienstag auf Kampnagel. Das bedeutet, der Gedankenverkehr fließt wieder und kann sich jetzt an dem überarbeiteten Vorschlag des Siegers Otto Steidle orientieren, den Mirow etwas vorschnell als die glückliche Zusammenkunft aller Interessen deklarierte.
Tatsache ist, daß Steidles kammartige Bebauung des Geländes die flexibelste Lösung des Wettbewerbs war. Das heißt aber keineswegs, daß hier ein gordischer Knoten durchschlagen wurde. Insbesondere für die Kulturfabrik ist der Vorschlag des Münchner Architekten, der sich in seiner städtebaulichen Struktur stark am Straßenraum orientiert, mehr ein auf die Pelle rücken, als eine freundschaftliche Umarmung.
Blicke auf die Hallen können von der Straße nur noch Fußgänger – die es hier nicht gibt – erheischen, denn der Vorhof des zukünftigen Zentralfoyers ist mit einem schräggestellten Riegel unsinnig gestört und der Abstand zwischen Alt- und Neubebauung schafft auch mit den überarbeiteten neun Metern Distanz eine Geste der Belagerung.
Doch hier mag eine Entspannung dadurch eintreten, daß an der fraglichen Stelle das dort angesiedelte Alabama-Kino momentan eine Erweiterung plant. Ein Kieler Investor möchte gemeinsam mit dem Kino in der Halle 4 sowie gegenüber des jetzigen Haupteingangs zwei bis drei neue Kinosäle errichten. Das hieße, daß an der engsten Stelle zu den Bürotrakten eine Nutzung entsteht, die von der Schlucht nicht beeinträchtigt wird. Kampnagel verbindet mit der Erweiterung den Wunsch, daß der Investor in den neuen Bauten die Gastronomie der Kulturfabrik mit unterbringt. Diese Pläne werden gerade mit der Stadt abgestimmt. Der Geschäftsführer von MTV-Europe, Michael Oplesch, eröffnete mit der Bemerkung, er könne sich gut vorstellen, mit seinen 400 neuen Mitarbeitern in vorhandene Bausubstanz zu ziehen, das Spiel um die Fundushalle neu. Bisher hieß es, die Sanierung der Halle am Osterbekkanal sei finanziell nicht machbar. Da MTV aber unbedingt ans Wasser möchte und die Halle für ihre Belange ideal wäre, könnte der Erhalt vielleicht doch gelingen. Bisher ist hier ein Wohnturm vorgesehen. Ansonsten ist das Planspiel um die Unterbringung des Musikkanals in dem 80 Millionen-Mark-Projekt noch offen.
Das Studiogebäude für Pro 7 an der Jarrestraße ist sowohl betreffs seiner Lage wie Größe relativ unumstritten. Dagegen hofft Kampnagel-Geschäftsführer Jack Kurfeß, daß sich mit den Investoren noch über den Verzicht des dritten Gebäuderiegels sprechen läßt, dessen Lage den Zugang zu der Kulturfabrik doch empfindlich stört. Wenn dies gelänge und „die Stadt endlich verstehen würde, daß man mit fünf Millionen Mark die Hallen nicht sanieren kann, wären wir wirklich glücklich.“ Dieses Geld, so hatte es Mirow ausgehandelt, soll aus dem Grundstücksverkauf an Kampnagel fließen.
Was den störrischen Riegel betrifft, so bestehen zumindest Überlegungen, diesen nicht in dem im Frühjahr beginnenden ersten Bauabschnitt zu realisieren. Denn von den 17.600 Quadratmetern Gesamtfläche, die hier geplant sind, ist erst ein Teil vermietet. Statt diese Größe noch um 4.000 Quadratmeter zu erweitern, könnte man auch auf den strittigen Bürotrakt verzichten.
Architektonisch zeigen die bisherigen Modelle von Steidle eine interessante getreppte und gestufte Zeilenbauweise, wie man sie auch aus anderen Projekten des Architekten kennt. Die bisherige Arbeit desMünchners und die hier vorgestellten Fassadenentwürfe lassen erwarten, daß das Gelände ein eher südliches, temperamentvolles Gesicht erhält. Klinker, farbigen Putz und Keramik will Steidle dem jeweiligen Kontext entsprechend einsetzen. Wenn nicht wieder kleinkarierte Vorstellungen von Kontextzwängen, wie bei den bisherigen Bauten auf dem Gelände, zuschlagen, dann kann man sich auf Steidles Baukunst vorfreuen. Till Briegleb
Die sechs Wettbewerbsentwürfe können noch bis Freitag auf Kampnagel, Foyer 1, besichtigt werden.
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