: Warten auf den Tatzelwurm
■ Nessie, Okapi und die anderen: Das zoologische Museum zeigt, was Schulweisheit sich nicht träumen läßt
Was haben der Zwergplumplori, der Fleckenroller und das Bondegezou gemeinsam? Sie sind Forschungsgegenstände der Kryptozoologie, der Wissenschaft von den verborgenen Wesen. Die relativ junge Kryptozoologie befindet sich in der Tradition der Fantasy-Literatur seit Homer.
Herausragendster Vertreter ist der Franzose Bernard Heuvelmans, der die Kryptozoologie im Laufe von fünf Jahrzehnten begründete. In diesem Jahr bekam er dafür den Preis der „Phantastischen Wissenschaft“, der von der 1992 verstorbenen Hambuger Zoologie-Professorin Gabriele Peter gestiftet wurde. Heuvelmans ist unter anderem die Ausstellung „Phantastische Wissenschaft: Kryptozoologie“ im Zoologischen Museum gewidmet. Schönstes Stück ist hier das lebensgroße Okapi. Lange Zeit für eine Spinnerei afrikanischer Eingeborener gehalten, war das Okapi erst 1901 vom weißen Mann „entdeckt“ worden und genießt seitdem Realitäts-Status. Als das erste in diesem Jahrhundert entdeckte vermeintliche Fabelwesen erkoren es die Kryptozoologen zu ihrem Wappentier.
Die Liste der erst im 20. Jahrhundert entdeckten Säuger und Amphibien ist lang: So wurde 1904 der bestimmt wunderhübsche Göldis Springtamarin gefunden, 1907 der vier Kilo schwere Goliathfrosch und 1910 die Panzerspitzmaus, wie der Frosch allen alten Rekordefans aus dem Guinessbuch bekannt als die Maus, die Menschen auf ihrem Rücken tragen kann. Noch 1988 fand ein Forscher eine ehemals nigelnagelneue Sonnenschwanz-Meerkatze in einem Kochtopf in Gabun, und 1992 wurde zum ersten Mal der gigantische Himalaja-Elefant gesehen.
Nicht aller zoologische Mythenstoff ist bereits erfaßt und erforscht: Auf sich warten läßt immer noch der Tatzelwurm, einziges Fabelgeschöpf, das deutschsprachigen Köpfen entsprang. Zylinderförmig und einen Meter lang, soll er sein Unwesen in den Alpen treiben. Aber was ist dieses österreichische Schuppenschwein gegen das sechs Meter hohe afrikanische Riesengürteltier? Ganz zu schweigen von Nessie, deren beide berühmte Fotoportraits natürlich auch ausgestellt sind: Dunkler Schatten eines Halses (?) auf nächtlichem See. Wenn das kein Beweis ist. uwi
Bis 1. Juni Di-Fr 10-17 Uhr, Sa und So 10-16 Uhr im Zoologischen Museum, Martin-Luther-King-Platz 3. Eintritt frei
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