„Einen faulen Kompromiß nicht mittragen“

■ Die stellvertretende Junge-Union-Vorsitzende Hildegard Müller (29) zur Rentenreform

taz: Die Familienkasse scheint beerdigt zu sein. Hat sich Arbeitsminister Blüm übernommen?

Hildegard Müller: Man wußte, daß es Widerstände geben würde. Für viele gehören Erziehungszeiten nicht zu versicherungsfremdem Leistungen. Wir wehren uns daneben gegen Versuche, die Rentenkasse aus Steuermitteln zu konsolidieren, wie es im Falle der Familienkasse geschehen wäre.

Nun soll die Familienkasse Mitte 1998 abermals diskutiert werden.

Ich hoffe doch nicht. Die Erziehungzeiten sollten wir anerkennen, indem wir die Beiträge zur Rentenversicherung für Kinderlose erhöhen oder aber deren Rentenanwartschaften kürzen.

Was erwarten Sie als Mitglied der CDU-Rentenkommission von der heutigen Vorstandssitzung Ihrer Partei?

Man wird wohl den größtmöglichen Kompromiß für den Kleinen Parteitag suchen. Sollte dabei ein fauler Kompromiß herauskommen, wird die Junge Union dem am 19. März aber nicht zustimmen.

Was heißt das konkret?

Es kann nicht sein, daß nach dem Blüm-Modell die Beitragssätze im Jahr 2025 auf fast 23 Prozent ansteigen und erst zu diesem Zeitpunkt das Rentenniveau von derzeit 70 auf dann 64 Prozent abgesenkt wird. Man sieht die Entwicklungen, aber scheut sich, schon jetzt die Konsequenzen zu ziehen. Mit der geplanten Einführung einer demographischen Komponente in die Rentenformel wird zwar nach außen hin der Anschein einer Lastenverteilung signalisiert. In Wirklichkeit aber würde die junge Generation einerseits zur Hälfte die Lasten der jetzigen Alten und später die eigenen Lasten voll und ganz tragen.

Was wäre für Sie akzeptabel?

Wenn das Rentenniveau schon im Jahre 2010 auf 64 Prozent abgesenkt würde. Daneben müßte es eine Option für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit um ein oder zwei Jahre auf dann 66 oder 67 Jahre geben.

Wer bei einer um zwei Jahre höheren Altersgrenze nach 45 Arbeitsjahren mit 60 in Rente gehen würde, käme dann aber auf ein Rentenniveau von 45 Prozent.

Wir sagen ganz klar: Wer schon heute früher in Rente gehen will, muß Abschläge hinnehmen. Wir können doch nicht die Frühverrentung auf Kosten der jungen Generation durchführen.

Was halten Sie von einem Generationen- oder Kapitalfonds, mit dem Geld in der Rentenkasse angespart wird und der dann in 30 Jahren die Rentenkasse entlastet?

Einen derartigen Generationenfonds lehnen wir strikt ab. Derartige Kapitalsummen dürfen nicht in staatliche Hand gelegt werden, weil damit die Begehrlichkeit jeder Regierung wächst, Finanzlöcher zu stopfen. Zumal ein solcher Generationenfonds, der ja wohl oder übel über höhere Bundeszuschüsse finanziert werden müßte, im Kern auf eine höhere Staatsverschuldung hinausliefe.

Damit liegen Sie quer zur Jungen Gruppe der CDU-Bundestagsabgeordneten.

Das ist richtig. Nach unserer Auffassung müßte alles versucht werden, die Beiträge zu senken, um die Arbeitskosten zu entlasten. Darüber hinaus wollen wir, daß durch steuerliche Anreize die private Vorsorge neben der gesetzlichen Rentenversicherung gestärkt wird. Interview: Severin Weiland