: Fische, Korallen und heißer Wüstenwind
Kein tropisches Riff ist schneller erreichbar als das vor Eilat in Israel. Nach dreistündigem Flug tauchen Touristen in der ganzjährig warmen Saison. Die Unterwasserwelt wird vor Schnorchel-Urlaubern geschützt ■ Von Carola Brezlanovits
Das Leben auf, in und um die Korallen herum ist so vielseitig, daß es sich am ehesten mit dem summenden Gewirr auf einer Sommerwiese vergleichen läßt. Und wie in einem Garten wird auch das „Wunschklima“ um einen Korallenstock herum von Dutzenden Faktoren bestimmt. Aaron Miroz, Marine Curator im Unterwasserobservatorium Aquarium Coral World in Eilat, kennt die Bedürfnisse von friedliebenden und jagenden Korallen ganz genau, und er weiß die Zeichen seiner Schutzbefohlenen richtig zu deuten: „Man muß nur hinschauen; durch ihre Farbe signalisieren sie, wie es ihnen geht und was ihnen fehlt.“ Das zu erkunden, baten ihn auch Berliner Wissenschaftler: Er möge doch das Korallenwachstum in den Aquarien des Berliner Zoos ankurbeln.
Der Wissenschaft kommt ein Viertel des Eintrittsgeldes zugute. Da kommt einiges zusammen, denn pro Jahr besuchen 500.000 Menschen das 1975 angelegte Unterwasserobservatorium im Süden Eilats. Der wissenschaftliche Erfolg ist notwendiger denn je: Der Golf vor Israel und Jordanien wurde jahrelang mit Umweltzerstörung und Artensterben in einem Atemzug genannt. Die schweren Tanker ließen ihre Reste ins Rote Meer ab; Wirtschaft und Tourismus gingen sehr lange Zeit zu Lasten der Umwelt. Korallen wurden zerstört, die Wasserqualität ging zurück, die Seepferdchen starben aus. Die Leute vom Coral World bauten eine neu entwickelte Futterkette im Labor auf und konnten inzwischen Seepferdchenhundertschaften wieder aussetzen. Ihre Überlebensrate: 30 Prozent – statt 3 Prozent im Roten Meer.
Ein paar von den wirklich niedlichen Ringelschwänzen kann man mit viel Zeit und Geduld unter Wasser entdecken. Wir lassen uns durch Japanese Garden treiben. Der Name des Gebietes stammt von den farbigen Tischkorallen, die an japanische Pagoden erinnern. Das Riff beginnt etwa 8 Meter unter der Oberfläche und reicht auf 27, dann auf 45 Meter hinab: Leuchtendrote Schwämme, Anemonen, bunte Barsche, ein Barrakuda, ein winziger Stachelrochen – kurz: der Garten als Paradies. Die Unterwasserwelt schillert bunt wie in einem Werbeprospekt. Die Riffs an der Coral Beach, einem zwölf Kilometer langen Kies- und Sandstrand, sind bekannt für ihren Artenreichtum. In die junge Hafenstadt am Golf von Aqaba kommen immer mehr tauchende Touristen. In knapp drei Stunden Flugzeit an einem tropischen Riff – das spricht für sich und zunehmend für das Tauchvergnügen „zwischendurch“, also für einen kurzen, einwöchigen „Stay“.
Eilat liegt beneidenswert: im Osten das nahe Aqaba und die jordanischen Tauchgründe, im Westen lockt Taba in Ägypten mit Landschaft und Kultur. Logis bietet die israelische Hafenstadt, inklusive Shoppen und Night-life. Ehrgeizig sind sie hier in Eilat: Sie bauen an ihrem israelischen Monte Carlo, eine Art Dreiländerbade- und Tauchzentrum am Roten Meer. Die Hoteliers erkannten, daß die vorgelagerten Riffe nur lebend und in intaktem Zustand Touristen anlocken werden. „Wir wissen, daß wir vom Riff leben“, erklärt David Vered, Leiter der Tauchbasis des Red Sea Sports Club, der als größter Club allein etwa 200.000 Tauchgänge jährlich verbucht.
In der Hafenstadt warten bereits über zehn Basen auf tauchwillige Gäste. Und im Computer des Vorsitzenden der Israel Diving Federation stecken Namen von mehr als 70.000 Tauchern und 700 Instruktoren. Jedes Jahr kommen 12.000 Tauchscheine für das ganze Land dazu. Für den Trendsport Tauchen sind auch in Israel keine Grenzen absehbar – durchaus im doppelten Sinne. Und weil das Rote Meer den Massenansturm der Badenden, Schnorchler und TaucherInnen unbeschadet überleben soll, laufen Initiativen an: Experten der Universität Eilat beraten in Sachen Schutzmaßnahmen. Die meisten Schulen bitten wöchentlich zum nassen Aufräum- Event. David Vered holt einige Müllsammelprotokolle aus der Schreibtischlade. Äußerst penibel werden die Fundorte von Cola-Dosen, Plastikflaschen, Cremedosen, Plastiktüten und sogar von Damenbinden vermerkt. „Das geht dann zur Auswertung an die US-Zentrale.“ Tauchlehrer Vered kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Vor einem Jahr wurde ein breiter Riffgürtel vor Coral Beach bis Coral World für den „Durchtauchverkehr“ gesperrt. Oberflächenbegrenzungen und Strandaufsicht verhindern das Vordringen in das Innere des Riffs. Bewegt man sich unter Wasser an der Riffkante entlang nur einige Meter vom Strand weg, wo die Tauchlehrer ihre teils acht- und neunjährigen Schüler am Schlafittchen an Korallen und Fischen vorbeiziehen, überrascht der große Fischbestand. Etlichen Korallenformationen sieht man hingegen die Schäden an – da, ein Delphin! Ich zeige nach unten in die blaue Tiefe. Nein, so deutet mir mein Tauchpartner auf mein heftiges Gestikulieren hin, das hätte ich mir nur eingebildet. Dabei sind Delphine hier durchaus nicht ungewöhnlich. Vor einigen Monaten rettete eine Gruppe Delphine sogar einen britischen Touristen. Der wurde bei Scharm al-Scheich von Haien attackiert und überlebte schwer verletzt, weil die Delphine um ihn herum einen Kreis bildeten, mit den Flossen schlugen und schrien.
Das Rote Meer gilt weltweit als einer der besten Tauchplätze. Eilat ist mit seiner ganzjährig warmen Saison ideal für Tauchanfänger und ein altbewährtes Eldorado für Unterwasserfotografen. „Die enorme Artenvielfalt auf Riffen und Korallen und Sichtweiten bis zu 30 Metern ziehen die Besucher an“, weiß Gadi Ben-Zeev, Direktor des Red Sea Sports Club & Hotels (RSSC). Sein Lebenswerk könnte exemplarisch für die rasante Entwicklung in ganz Eilat stehen: Vor 25 Jahren gründete er eine kleine Tauchbasis. Dem folgte 1984 der Red Sea Sports Club, dann ein Reisebüro und die zweite Tauchbasis. 34 Angestellte betreuen nun 120 Tauchschüler, organisieren drei Safaris und mehrere Kreuzfahrten – zum Wracktauchen nach Jordanien, Ägypten, nach Scharm al-Scheich, Ras um Sid, Dahab und Shark Bay und in den Sinai.
Der Bau des Hotel Ambassador war ebenfalls Ben-Zeevs Idee. Für verwöhnte Tauchgäste entwarfen internationale Designer das Interieur, wurden Eisentische aus Chile und Rattan aus Italien herangeschafft. Über Einrichtungen für Behinderte spricht man nicht – sie sind längst Standard. 202 Angestellte kümmern sich um jährlich 70.000 Gäste, davon sind 8 Prozent Deutsche – mit steigender Tendenz.
Wenn über einen internationalen Flughafen, eventuell ein Gemeinschaftsprojekt mit Jordanien, diskutiert wird oder wenn debattiert wird, die Marineeinheiten in den Hafen zu verlegen, um weitere Kilometer Sandstrand zu „öffnen“ – dann geht es immer um Maßnahmen, noch mehr finanzkräftige und anspruchsvolle Gäste für die 350 Hotels an der israelischen Côte d'Azur zwischen Orient und Okzident zu gewinnen.
Eilat 2000 – das sind auch 12.000 Hotelzimmer sowie die perfekte Mehrsprachigkeit der meisten im Tourismus Beschäftigten. Allein im Manta Diving Center spricht man elf Sprachen, unter anderem Finnisch, Japanisch, Holländisch und Russisch. Tauchlehrer Benni etwa beherrscht nicht nur sieben Sprachen, sondern weitere diverse Dialekte. Ob er allerdings in „muränisch“ bewandert ist, können wir nur mutmaßen. Jedenfalls versteht er sich prächtig mit dem in der Nähe der Basis wohnhaften, schlangenähnlichen Fisch. Bis vor fünf Jahren wurde die Muräne als Dauerfreundin aller Instruktoren nach Strich und Faden mit Fischfleisch verwöhnt. Jetzt sind Fütterungen verboten, und die „Dicke“ muß selbst für ihren Unterhalt sorgen.
In nur sechs Meter Tiefe und kaum zu verfehlen liegt der massige Moses Rock, ein einzeln im Sand stehender Korallenblock mit zehn Meter Durchmesser. Hier sind über 300 Arten an Fischen, Korallen und Schnecken beheimatet – selbst für verwöhnte Taucher und Taucherinnen eine ungewöhnliche Begegnung. Nicht einen, nein fünf Skorpionfische, drei Steinfische, Rote Juwelenzackenbarsche, ein Glasfischschwarm, viele Haremsfahnenbarsche, drei Flötenfische ... ich höre auf zu zählen und genieße das bunte Treiben im Seichten. Das einzige, was Eilat nicht bieten kann, sind interessante „Wrackbegegnungen“.
Außerhalb des Wassers ist man dem subtropischen Klima, dem heißtrockenen Wüstenwind ausgeliefert. „Cool“ bleibt man nur beim Flanieren auf dem Hatemarin Boulevard an der North Beach – nicht jedoch, wenn es in die gleich hinter den Hotelkomplexen beginnende Wüste Negev geht. Trinkwasserbeladen klettern wir in die rotglühenden Schluchten des Red Canyon, keine halbe Stunde vom Riff entfernt. Auch die 50 Meter hohen Sandsteinsäulen im nahe gelegenen Timna Valley geben noch Stunden später die tagsüber aufgenommene Hitze ab. Zwischen den gewaltigen Gebirgszügen in diesem Naturschutzgebiet, wo einst die Ägypter Kupfer abbauten und später nomadisierende Beduinen mit ihren Kamelen zogen, könnten bald im „Bibel-Disneyland“ lärmende Touristen ihre Runden ziehen – so wird zumindest überlegt. Ob die bereits jetzt stark von Winderosion bedrohten Säulen des Salomon oder der Mushroom-Stein diesen Ansturm überstehen werden?
Mit der ihnen eigenen unglaublichen Geschwindigkeit ringen die Eilater um jeden urbanen Streifen. Der südlichste Ort des Landes gehört seit 1949 zu Israel und war damals ein wirklich winziger Flecken – auf einem schmalen Küstenstreifen, wo Negev, der Sinai und die hohen Berge Jordaniens zusammentreffen. Straffällige auf Bewährung trotzten der Wüste jeden einzelnen Meter ab. Der kontinuierliche Zustrom von Einwanderern aus Afrika, Asien, Europa und Amerika und von ausländischem Kapital verhalf zum ersten wirtschaftlichen Aufschwung. Davon zeugen Unmengen von Baustellen, Schaufelbaggern und Tiefladern.
Goldene Jahre sind das keineswegs: Arbeitslosigkeit und Verschuldung plagen auch die Israelis. Die rasch auf 50.000 Menschen anwachsende, junge Bevölkerung – 37 Prozent sind unter 14 Jahre – mit hohem Ausbildungsniveau sieht sich einem an natürlichen Ressourcen armen Land gegenüber: Wüste, Berge, wenig Wasser und Energievorräte. Dennoch sind sie im Besitz wirklich großen Reichtums – doch nur dann, wenn sie es trotz Ausbau des Tourismus schaffen, ihre Korallenriffe zu schützen und zu erhalten.
Infos & Buchung
Israelische Verkehrsbüros:
Frankfurt: (069) 018054041,
Berlin: (030) 2042010,
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Wien: (0043) 1/3108174,
Zürich: (0041) 1/2112344,
Tourist Information Office Eilat
(00972) 7/6372111.
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