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Spenden für die Bezirkskassen

■ Sozialhilfeempfänger: Sachspenden statt Geld

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) plant, SozialhilfeempfängerInnen „mehr gebrauchte Kleidung und Möbelstücke zu geben“. Einige Bezirke tun dies längst. Dabei greifen sie auf Sachspenden von BürgerInnen zurück. Neben den monatlichen Sätzen stehen SozialhilfeempfängerInnen einmalige Gelder zu, etwa, wenn sie umziehen, heiraten oder ein Kind bekommen. Einige Bezirke sind dazu übergegangen, diese Sozialhilfe teilweise als Sachleistungen zu gewähren.

Der Bezirk Friedrichshain speist bedürftige Schwangere statt mit 200 Mark zum Kinderwagenkauf mit einem gespendeten Kinderwagen ab. Diese Wagen geben Eltern beim Jugendgesundheitsdienst in der Warschauer Straße unentgeltlich ab und glauben, damit bedürftigen Schwangeren etwas Gutes zu tun. Sie erfahren gar nicht, daß sie den Kinderwagen in Wahrheit der bedürftigen Bezirkskasse gespendet haben. Für jeden kostenlos beim Jugendgesundheitsdienst abgegebenen Wagen spart der Bezirk 200 Mark ein. Friedrichshains leitender Fachbeamter Klaus Frank sieht darin kein Problem. „Sozialhilfegelder sollen nur gewährt werden, wenn die Menschen ihren Bedarf nicht anders decken können. Sachspenden sind aber eine juristisch einwandfreie Alternative“, meint er. Die Liga der Wohlfahrtsverbände interpretiere in seinen Augen die Spendenbereitschaft der Bevölkerung falsch, „wenn sie diese nur zusätzlich zu staatlichen Pflichtleistungen zulassen will“.

Ähnlich geht Wedding mit Möbelspenden um. Wer einen Schrank oder eine Couch entbehren kann, läßt das von „Hilfe mit Herz e.V.“ – nach eigenen Angaben dem „verlängerten Arm des Sozialamtes“ – abholen. Eine Spenderin erhielt die Auskunft, ihre Couch würde kostenlos an SozialhilfeempfängerInnen weitergereicht.

In Wahrheit ist das Möbel nur gegen einen Kostenübernahmeschein des Sozialamtes zu haben. Das Sozialamt spart Möbelgelder ein. Der in Rechnung gestellte Preis ergebe sich, so „Hilfe mit Herz“-Sprecher Schwinger, aus den Kosten für Transport und Lagerung der Möbel. „Worauf wir unsere Spender hinweisen, das sollten Sie uns überlassen“, quittierte er den Vorwurf der Spendertäuschung.

Noch einen Schritt weiter geht Reinickendorf. Das dortige Sozialamt greift bei AsylbewerberInnen und Bürgerkriegsflüchtlingen ohne Duldung in die monatlichen Sozialhilfeleistungen ein. Diesen Personen werden von ihnen ohnehin auf 80 Prozent gekürzten Geldern noch einmal 40 Mark abgezogen. 40 Mark – das ist der Anteil für Kleidung. Statt Geld bekommen die Flüchtlinge die Adresse einer Kleiderkammer von Caritas, Diakonie, DRK oder Paritätischem Wohlfahrtsverband.

Die Praxis „Bürgerspenden statt Geld“ sei laut Liga der Wohlfahrtsverbände nicht in allen Bezirken üblich, „aber es gibt eine Tendenz in diese Richtung“. Das sei eine Reaktion von Bezirken auf ihre gekürzten Finanzen. Ausdrücklich davon distanziert hätten sich nur Wilmersdorf und Lichtenberg.

Wilmersdorfs bündnisgrüne Sozialstadträtin Martina Schmidhofer hält die Praxis in Friedrichshain und Wedding zwar für „juristisch unangreifbar“, jedoch gebe es in Berlin die Empfehlung, von Sachleistungen Abstand zu nehmen. Fragwürdig sei es allerdings, die Spender nicht auf die Verwendung der Spenden hinzuweisen. In Wilmersdorf würden Angebote von Spendern als zusätzliche Leistungen gesehen.

Hingegen ist die Reinickendorfer Praxis in den Augen von Georg Classen von der Passionskirchengemeinde „klar gesetzwidrig“. Verwaltungsgerichtsurteile, die die Rechtswidrigkeit bestätigen, gebe es jedoch noch nicht. Laut Classen sei der Verweis auf Kleiderkammern etwa mit einem Verzicht auf Obdachlosenunterkünfte im Sommer vergleichbar, wenn das Sozialamt auf Schlafplätze im Tiergarten verweist.

Die Liga der Wohlfahrtsverbände hat sich gegen die Abgabe von Spenden anstatt staatlicher Pflichtleistungen verwahrt. Die von den gemeinnützigen Verbänden gesammelte Kleidung und Möbel solle „unmittelbar, unbürokratisch und kostenlos an Hilfesuchende weitergegeben werden“ und zwar zusätzlich zu den staatlichen Leistungen. SozialhilfeempfängerInnen und AsylbewerberInnen hätten einen Rechtsanspruch, „sich regelmäßig mit neuer Kleidung zu versorgen“. Marina Mai

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