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Eklat beim Etat

■ CDU-Fraktionsvize Liepelt schreibt Pressemitteilung der Grünen falsch ab und beschimpft die Finanzsenatorin. Diepgen distanziert sich von seinem Parteifreund

Nach dem Haushalt gerät nun auch die Stimmung in der Großen Koalition aus den Fugen. Der Abschluß des Haushaltsjahres 1996, den Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) gestern präsentierte, sorgte für einen Eklat. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Volker Liepelt, verließ die Senatssitzung nach wenigen Minuten, um eine wüste Pressemitteilung herauszugeben. Tenor: Die „Sparmeisterin der Nation“ (Liepelt) bringe nur Negativ-Rekorde zustande. Laut Fugmann-Heesing schließt das Land 1996 mit einem Fehlbetrag von 2,9 Milliarden Mark ab.

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) pfiff Scharfmacher Liepelt sofort zurück. Diepgen distanzierte sich von „Form und Inhalt“ der Liepeltschen Erklärung. Er lasse sich so etwas nicht bieten, sagte der Regierende im Senat. Die Finanzsenatorin selbst monierte den Stil Volker Liepelts, der als Gast an einer Senatssitzung teilnehme, um dann eine einzige Zahl des Haushaltsabschlusses mitzuteilen. Aus der CDU-Fraktion kam als Mitteilung Nr. 53a ein Dementi: Volker Liepelt habe die Mitteilung Nr. 53 nicht verfaßt, und „sie ist von ihm auch nicht autorisiert.“ Ein Mitarbeiter habe den Entwurf versehentlich veröffentlicht.

Der 49jährige Betriebswirt Volker Liepelt darf in seiner Funktion als parlamentarischer Geschäftsführer der CDU an Senatssitzungen teilnehmen. Diese Vermischung von Regierungs- und Gesetzgebungsgewalt wird seit längerem kritisiert. Unbedachte Äußerungen des Marketingexperten hatten bereits mehrfach zu Spannungen in der Koalition geführt. In der umstrittenen Erklärung schrieb Liepelt, „die Hälfte [des Milliardendefizits] ist im Hause Fugmann-Heesing selbstgemacht, weil die Finanzsenatorin die Vermögensaktivierungen immer noch nicht realisiert hat.“ Ihr mangele es an Professionalität und politischem Geschick, teilte Liepelt mit, dessen eigene Erklärungen häufig zu viele Nullen enthalten.

Liepelt hatte in seiner gestrigen Erklärung ein Zahl der grünen Haushaltspolitikerin Michaele Schreyer falsch verwendet. Schreyer hatte der Finanzsenatorin vorgeworfen, eine Einnahme für das Jahr 1996 zu buchen, obwohl sie noch nicht erzielt ist. Die Finanzsenatorin stellt 1,328 Milliarden Mark aus dem noch nicht abgeschlossenen Verkauf der Bewag in den Etat 1996 ein. Schreyer meint, das sei nicht möglich. Annette Fugmann-Heesing ließ erklären, die Landeshaushaltsordnung lasse das zu. Unterdessen forderte Michaele Schreyer, so schnell wie möglich mit den Beratungen für einen Nachtragshaushalt 1997 zu beginnen. Christian Füller

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