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Beckmeyer im Ledertanga!

■ Wow! Zwei Erotikmessen an einem Wochenende! Plahl und Grabler im Fachgespräch

Gleich zweimal sollen sich die BremerInnen an diesem Wochenende erotisieren lassen: Im Pier 2 findet die „Erotica“und im World Trade Center die „Schönste Sache der Welt“statt, zwei Erotikmessen. Die taz- RedakteurInnen Frau Plahl und Herr Grabler waren bei den Präsentationen.

Herr Grabler: Jetzt kriegt Bremen gleich zwei Erotikmessen auf einmal in die Stadt. Typisch, wieder mal Jahre nach dem Rest der Welt. Aber nun verschwindet endlich ein calvinistisch-weißer Fleck von der Landkarte. Ich frage mich bloß, wie die Bremer mit all den Hormonen fertigwerden wollen. Viel Sport und kalt duschen, wahrscheinlich.

Frau Plahl: Turnt hier was an? Die Frau auf dem Plakat für die „Erotica“regt nicht mal mehr Feministinnen auf und hat laut Aussage von zwei Model-Kolleginnen „Strampelbeine und einen Wackelarsch“. Die Tussi für „Die schönste Sache der Welt“geht auch als Gogo-Girl für Bügeleisen und Teflonpfannen auf Hochzeitstischen durch. Und strippende Männer – wie das aussieht, wissen wir – also die Frauen, also die, die da noch hinschauen – ja.

Immer dasselbe bremische Gemaule. Kennen wir schon, hatten wir schon – furchtbar! Als ob ausgerechnet der Bremer Marktplatz die Zentrale des Kribbelns im Schritt wäre. Sagen Sie bloß noch, daß der Bremer – und die Bremerin – an sich nichts mehr dazulernen könnte.

„Der Bremer und die Bremerin“– Hey, hey, political correct, und das beim Thema Erotik. Erwarten Sie jetzt etwa Lernmittel-Messen, womöglich noch organisiert von der GEW? Stattdessen: Geldeinwerfen, also -hinblättern und mal kucken dürfen. Peep-Niveau halt.

Na und? Gibts was gegen Hingucken zu sagen? Oder gegen Wackelärsche? Meinetwegen von der GEW. Sollen die Leute doch ihren Spaß haben, und wenn sie sich was abgucken können oder eine Idee kriegen – umso besser.

Peep-peep, noch schlimmer. Was abgucken. Von magersüchtigen Glatthäuten mit Waschbrettbauch. Ist hier schon mal jemand diesem „Schlüssel“, also dem Aufschlußreichen an sich, gerecht geworden? Stattdessen haben wir hier bald ein WIE?, ein „Wissenschaftliches Institut für Erotik“. Begleitende Studien über Statuspassagen und Risikolagen könnten folgen.

Jetzt gehts aber schädelmäßig völlig mit Ihnen durch. Seien Sie doch mal locker, werte Frau Plahl! Daß die Hungerhaken-Mädels und die Mucki-Jungs von den Strip-Shows nicht gerade ein Ausbund an erotischer Ausstrahlung für Sie sind, das kann ja sein. Sieht man ja auch alle Naselang bei den Gummilederlatex-Sendungen im Privatfernsehen. Aber ist das der Maßstab? Sie hängen doch – um es mal so zu sagen – die Latte viel zu hoch. Als ob in den bremischen Schlafzimmern rund um die Uhr Halligalli wäre.

Da haben wir's: Die Kombination „Erotik“und „Schlafzimmer“.

Oh làlà! Madame bevorzugen den Lift?

Wenn wir wie vorhin beim Hingucken bleiben, ist das nicht der schlechteste Ort.

Sie weichen aus. Zuallererst müssen wir doch wohl mal die Frage klären: Ist Bremen erotisches Notstandsgebiet? Ja oder nein? und dann können wir uns immer noch über Erotikmessen streiten.

Ertappt. Man kommt erst in die Gänge, wenn die Not groß genug und vom Statistischen Landesamt hinreichend belegt ist.

Wenn Sie mir unbedingt mit der Soziologie kommen wollen, bittesehr: Man nennt das „teilnehmende Beobachtung“, das Statistische Landesamt ist da völlig Wurscht. Wahrscheinlich ist es tatsächlich so, daß die Menschen erst Leidensdruck brauchen. Und der scheint in Bremen so groß zu sein, daß die Erotikmesse-Veranstalter gleich im Doppelpack über die Stadt herfallen. Die würden das kaum tun, wenn sie sich hier keinen Markt ausrechnen würden, oder?

Bremen, Messestadt. Expo, Sexpo, Marko, das bestbezahlte Männer-Model der Welt, der auch noch bei Verona Feldbusch auf RTL 2 bei „peep“rumturnt. Und jetzt in Bremen.

Und? Kriegt da die Dame keine feuchten Händchen?

Regnet's?

Gut gegeben! Aber ernsthaft: So ein schöner Mann – das ist doch was für die Muddis aus Gröpelingen und Arsten-Süd.

Kennen Sie die näher?

Ich merke schon: Sie wollen sich den brennenden Fragen der Zeit partout nicht stellen. Was könnte Sie denn reizen? Wenn unser aller Außenhandelssenator Uwe Beckmeyer als Hausherr des World Trade Center bei der Eröffnung im Leder-Tanga auftreten würde?

Waschbrettbauch?

Also nicht! Wenn Sie unbedingt dabei bleiben wollen, daß Erotikmessen Unsinn sind...

Nein, unerotisch...

...ist ja gut! Ich hätte da einen Kompromißvorschlag. Samstag soll schlechtes Wetter sein, da hocken die Kinder quengelnd daheim und die Laune ist schlecht. Könnten doch die Eltern zur Erotik Messe ins World Trade Center fahren, die Kleinen da im kostenlosen Kinderhort beaufsichtigt vor die Glotze setzen und sich einen netten Nachmittag zu Hause machen. Und weil wir nicht Werbung für eine Veranstaltung allein machen sollen, können die ja vorher noch beim Pier 2 eine Pulle erotisierenden Sekt kaufen. Den gibts da nämlich. Dann hätten diese Messen noch einen Sinn.

Netter Nachmittag zu Hause???

Meinetwegen auch im Hotel.

Wissen Sie ein ansprechendes?

Jetzt wird es doch ein bissel zu indiskret.

Sorry, ich vergaß. Soll ja eher um bremische Erotik gehen.

Wo der Mann die Burlington-Socken dabei anbehält, nicht wahr?

Der Bremer?? Bin ich froh, daß ich keinen kenne.

Da sind wir uns ja mal einig. Ein schöner Schluß!

Typisch. Die Frauen kommen wieder mal zu kurz.

Ich wußte ja nicht, daß Sie noch was sagen wollten.

Noch typischer. Jetzt erteilen Sie mir wieder das Wort.

Wo denken Sie hin!

Fragen und keine Antworten: Silvia Plahl / Jochen Grabler

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