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B÷uf hormonoff – guten Appetit!

■ US-Unternehmen dürfen bald hormonbehandeltes Fleisch nach Europa verkaufen. Die Welthandelsorganisation WTO hat den EU-Bann für illegal erklärt

Brüssel (taz) – Die Europäische Union wird das Einfuhrverbot für hormonbehandeltes Fleisch bald aufheben müssen. Ein Gremium der Welthandelsorganisation WTO, das mit der Entscheidung beauftragt war, hat den Hormonbann der EU für illegal erklärt.

Fachleute, auch in der EU-Kommission in Brüssel, gehen davon aus, daß die Europäische Union die endgültige Aufhebung des Einfuhrverbots nur noch verzögern, aber nicht mehr verhindern kann. Die Entscheidung der Welthandelsorganisation ist ein bisher beispielloser Angriff auf die EU-Gesetzgebung. Zum erstenmal wird ein lokales Gesetz, das zum Schutz der Verbraucher beschlossen worden ist, durch internationale Handelsvereinbarungen einfach ausgehebelt.

Andere Importbeschränkungen der Europäischen Union bezogen sich auf Produkte, die von außerhalb der Gemeinschaft eingeführt wurden. Mit dem Hormonverbot sollten aber nicht EU- Bauern geschützt werden, sondern die Konsumenten vor Chemikalien im Fleisch bewahrt werden.

Verbraucherschützer befürchten, daß dieser Sieg des Freihandels auch Auswirkungen auf andere Bereiche haben wird. Wie beim Hormonfleisch drängen die USA auch bei genetisch veränderten Lebensmitteln und selbst bei chlorgetränkten Grillhähnchen auf eine völlige Marktöffnung der EU.

Die EU hatte vor neun Jahren sowohl die Produktion als auch die Einfuhr von hormonhaltigem Fleisch verboten. Es gebe keinen Grund, hieß es damals, Schlachttiere durch Hormone aufzuputschen. Dadurch würde nicht nur die Überproduktion angeheizt, sondern auch der Wunsch der Verbraucher nach unbelasteten Lebensmitteln mißachtet. Die US-amerikanische Regierung hat Anfang 1996 vor der neugeschaffenen WTO gegen das EU-Verbot Beschwerde eingelegt, weil dadurch amerikanisches Fleisch vom EU-Markt ferngehalten werde. In den USA ist der Einsatz von wachstumsfördernden Hormonen seit langem erlaubt. Da es keinerlei wissenschaftlichen Nachweis für die Gesundheitsschädlichkeit von Hormonen im Fleisch gebe, verletze der EU-Bann die Prinzipien des freien Welthandels. Ein Panel aus neun unbeteiligten Staaten hat den USA nun recht gegeben. Wie aus Kreisen der US-Regierung in Washington verlautete, habe das Panel die Begründung der EU für das Hormonverbot als nicht ausreichend zurückgewiesen.

Für die Welthandelsorganisation zählt nicht, daß die große Mehrheit der EU- Bevölkerung das Hormonverbot will. Die Statuten der WTO, die auch von der EU unterschrieben wurden, erlauben Einfuhrbeschränkungen nur, wenn eine wissenschaftlich bewiesene Gesundheitsgefährdung vorliegt. Die EU hat nun 14 Tage Zeit, in Genf ihre Position noch einmal klarzumachen, erklärte gestern ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel.

Doch es ist nicht zu erwarten, daß die WTO gegen die Empfehlung des unabhängigen Panels entscheidet. Die WTO wird ihr Urteil vermutlich in einigen Monaten bekanntgeben. Danach kann die EU zwar noch Berufung einlegen und die endgültige Entscheidung um etwa ein Jahr aufschieben, doch Fachleute gehen davon aus, daß sich an der grundsätzlichen Haltung der WTO nichts mehr ändern wird.

Die besondere Brisanz der WTO liegt darin, daß die US-Regierung dort zwar laufend Klage einreicht, sie aber im Zweifelsfall nicht anerkennt. Als die EU gegen das Helms-Burton-Gesetz Beschwerde vor der WTO ankündigte, ließ Washington wissen, eine WTO-Entscheidung werde ignoriert.

Die EU ist daraufhin eingeknickt, um ein Platzen der noch jungen WTO zu vermeiden. Denn aus Sicht der EU ist die Welthandelsorganisation die lang ersehnte internationale Schiedskommission, die im Welthandel das Gesetz des Stärkeren ablösen soll. Schon deshalb wird sich die EU dem WTO-Urteil beugen. Alois Berger

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