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Markierte Fläche mit Ideen vollstopfen

Spielbudenplatz: Bürgerwettbewerb zur Umgestaltung der Kiez-Brache  ■ Von Heike Haarhoff

Wie orientalische Schriftrollen stapelt sich das Tagewerk des Kurt Dieter Siegmund im Pavillon auf dem Spielbudenplatz. Vier gedrehte Textseiten über Bedingungen, Preise und Jury des Bürger-Wettbewerbs zur Umgestaltung des Spielbudenplatzes schmiegen sich in die Schatzkarte, den Übersichtsplan des sandigen Rechtecks auf der Reeperbahn. Ein rotes Haushaltsgummi ersetzt das Siegel. Gut 20 solcher Schriftstücke hat der Landesplaner Siegmund schon mal fertig gemacht, vorsichtshalber, falls der Andrang an diesem Nachmittag groß werden sollte.

Eine junge Frau drückt die Nase an die Fensterscheibe. „Hier rum, hier rum“, Siegmund macht wilde Handzeichen auf die Eingangstür. „Ich weiß nicht, ob ich hinterher was abgebe“, schickt die St. Paulianerin voraus. „Ich bin gar nicht Architektin. Aber ich wollte trotzdem mal die Unterlagen holen.“Mit fünf Mark „Selbstkostenpreis“ist sie dabei. „Diese markierte Fläche können Sie mit Ideen vollstopfen.“Siegmunds Finger zeigen auf die Ecken des Plangebiets: Reeperbahn im Norden, Davidstraße im Westen, Beim Trichter im Osten.

Bis zum 26. Juni haben alle – Privatpersonen, Initiativen, Verbände – Zeit, ihre Ideen zur Gestaltung der Brache als Text, Plan, Skizze oder Film bei der Stadtentwicklungsbehörde einzureichen. Für die fünf besten Vorschläge winken 25.000 Mark Preisgeld. In einem Architekten-Wettbewerb sollen die prämierten Werke später umgesetzt werden.

„Ich wohne schon seit Jahren auf St. Pauli“, sagt die Frau mit dem Kind auf dem Arm. „Der Spielbudenplatz ist scheußlich, so wie er ist.“Und für Kinder „schon mal gar nichts“. Name, Vorname, Adresse? Siegmund erfaßt jeden „Kunden“. Die Frau will „bestimmt mitmachen, überlegen, wie man wieder mehr Leute auf den Platz kriegen könnte.“Vielleicht mit Cafés, mit Zelten. „Nummer 55“, notiert Siegmund.

An der Wand im Pavillon hängen Luftbildaufnahmen, 100 Jahre alte Zeichnungen mit den vielen Buden und den Menschen mit Reifröcken, die bei schönem Wetter Schirme aufspannten. „Das war noch ein Forum.“Harry Oest zupft sich das karierte Jackett zurecht und stolziert auf und ab. Erzählt, daß er Vorsitzender des St. Pauli Bürgervereins ist, der sich jetzt aktiv an der Umgestaltung beteiligen will. „Naja“, wirft Maria Niemeyer vom Landesplanungsamt ein, „das hinzukriegen wie früher, ist wohl schwer. Das ist ja die heiße Meile.“

Über das Vereins-Ticket will der grauhaarige Oest im Herbst in die Bezirksversammlung. Da gilt es, früh um die Stimmen der Geschäftsleute zu buhlen: „Die Kneipen, Theater und Geschäfte müssen anfahrbar bleiben.“Von dem Vorschlag der Behörde, die Spielbudenstraße in eine Fußgängerzone zu verwandeln, um so den eigentlichen Platz zu verbreitern, hält Oest „gar nichts“. „Dann gehen die Geschäfte pleite.“Überhaupt müsse der „Tourismus als Wirtschaftsfaktor“auf St. Pauli wieder „mit den einschlägigen Geschäften verdoppelt werden“, pflichtet ein anderer bei. „Hä?“macht Siegmund und zündet sich eine Zigarette an.

„Wettbewerbe“, sagt er dann, „gehören zu unserem Geschäft.“4000 Faltblätter ließ die Stadtentwicklungsbehörde drucken, um die St. PaulianerInnen zum Mitmachen zu animieren. „Tragische Gestalten“seien das zuweilen, „tauchen immer auf und bringen dann doch nichts zustande“. Siegmund kennt sie alle. „Die suchen soziale Streicheleinheiten.“

Eine Frau, Nummer 60, vergißt das Wechselgeld. „Das“, ruft Siegmund, „sind die Anarchisten. Lassen einfach fünf Mark liegen.“

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