: Ein Klo statt Bohrmaschinen
Absoluter Flop: „Starthilfe für Bosnien“verschenkt Bäder an Flüchtlinge ■ Von Elke Spanner
Das Badezimmer hat er schon. Nun fehlt Music N. nur noch das Haus, um es einzubauen. Ein Waschbecken, ein Klo, ein BD und eine Wanne nennt er sein eigen – das ist seine „Starthilfe für Bosnien“, gespendet vom gleichnamigen Projekt, das rückkehrbereiten BosnierInnen den Neuanfang erleichtern soll. Daß ihm dieser gerade mit einer Toilette und einem BD gelingen soll, glaubt Music N. selbst nicht so recht. Nicht umsonst hatte er sich eigentlich einen Betonmischer, Leitern, Bohrmaschinen und Werkzeug gewünscht, das ihm eine berufliche Existenz eröffnen sollte. Statt dessen wird er mit der sanitären Grundausstattung im Sommer nach Travnic zurückkehren. Die Transportkosten in Höhe von mehreren tausend Mark muß er selbst tragen.
Aber Music N. will nicht klagen. Husch, husch, packt er mit zwei Freunden die Bad-Utensilien ein. „Jetzt ist es eben so geworden“, sagt er knapp, deutet mit dem Kopf in Richtung Badezimmer und grinst. Was soll er auch tun? „Es heißt freiwillige Rückkehr, aber mir bleibt ja keine Wahl.“
Faika P. auch nicht. Sie ist mit den Nerven am Ende. Als sie ihr Badezimmer sieht, bricht sie erst einmal in Tränen aus. Unverständnis bei Peter Sachau, dem Bosnienbeauftragten der Handelskammer. Zunächst hält er das Ganze für Freudentränen, doch der Blick in das verzweifelte Gesicht der Bosnierin belehrt ihn eines Besseren. Ob das Bad ihr denn nicht gefalle, fragt er bestürzt. Auf die Bitte von Faika P. hin tauscht er eilig die Wanne gegen ein Duschbecken aus, ganz generös: „Aber das ist doch kein Problem!“
Nein, an Badezimmern mangelt es der Starthilfe wahrlich nicht. An allem anderen aber schon. Als das Projekt von der Hamburger Wirtschaft, der Innen- und Sozialbehörde sowie der Flüchtlingshilfe von Arbeiterwohlfahrt und Caritas im März ins Leben gerufen wurde, da wollte man gezielt die Wünsche der BosnierInnen akquirieren. Doch Hamburgs Unternehmen beteiligten sich kaum. 400 Firmen wurden angeschrieben, gemeldet haben sich ganze 15. Etwas größer war die Ausbeute beim Handwerk, wo hauptsächlich Ruheständler spendeten. „Die erinnern sich, wie schwer es nach dem Krieg war neu anzufangen“, erklärt Werner Beuck, der Bosnienbeauftragte der Handwerkskammer.
Mit der reinen Akquise ist das Thema für die Herren des Handwerks und der Wirtschaft erledigt. Den Transport haben die Flüchtlinge selbst zu finanzieren, und das sind für ein Badezimmer laut Faika P. zwischen 3.000 und 4.000 Mark. Mit Pech muß an der Grenze dann auch noch Zoll bezahlt werden. Danach erkundigt haben sich die Herren der „Starthilfe“nicht.
Viele BosnierInnen müssen ausreisen, ehe für sie eine Spende erworben werden kann. Von den 480 Wünschen sind bis dato nur 103 erledigt. Und die wenigsten haben tatsächlich das bekommen, was sie wollten. Um „unseren guten Willen zu zeigen“, gibt es als Ersatz Werkzeugkisten. Für Benjamin P. zum Beispiel, der Friseur ist und eigentlich ein Haarwaschbecken und Trockenhauben bräuchte.
Glück hatte Gasec D. Er ist Zahnarzt und bekam von der „Starthilfe“tatsächlich einen alten, ausrangierten Zahnarztstuhl. Skeptisch umkreist er diesen immer wieder, gibt sich dann zuversichtlich: „Die Maschine wird schon funktionieren.“
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