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■ VorlaufCool kids can wait, Forscher nicht

„Zielgruppe Kind – Werbung in der Diskussion“, So., 0.20 Uhr, RTL

„Eigentlich ist Werbung ja schlecht, aber einige Sachen sind eben ganz gut“, sagt Ruben und bringt damit schon nach wenigen Minuten auf den Punkt, was der Untertitel der Kanal 4-Dokumentation verspricht, nämlich: „Was junge Fernsehzuschauer von der Werbung halten“.

Die Werbung ihrerseits hält junge Fernsehzuschauer für markenkompetent, die Verbraucherzentrale hingegen für markenfixiert, der Psychologe wiederum hält Werbung schlicht für kapitalistisch, und stabreimend hält der Kommentar „die Werbe- und Warenwelt für wahrhaft überwältigend“ – gerade so, als wäre das 1997 tatsächlich noch ein Thema. Und wohlmeinend jammert's aus dem Off: „Auch auf dem Weg zur Schule erschlägt die Werbung fast die Kinder“, derweil die lieben Kleinen unbeteiligt an großen Werbeflächen vorbeilaufen.

Schuld sind wahlweise die böse Werbewirtschaft, die profitsüchtigen Fernsehmacher, die überforderten Eltern oder, da sind sich letztlich alle einig, die Gesellschaft. Nur der Psychologe nimmt das marktwirtschaftliche Gerangel um die „Zielgruppe Kind“ gelassen: „Erst wenn Werbung anfängt, irgendwelche ideologischen Botschaften zu transportieren“, sagt er, „erst dann wird's gefährlich.“

Wie gefährlich macht die Dokumentation zuvor ganz unfreiwillig deutlich, denn da kommt der Kollege RTL-Chef zu Wort. Für ihn ist die Werbung schließlich „in die Kinder hineingeboren“, und man kann „da auch nichts mehr verändern“. Und weiter kommt's direkt aus seinen weltanschaulichen Hirnwindungen geglitscht: „Im großen und ganzen stimmen ja die Stereotypen: Mädchen spielen auch heute noch mehr mit Puppen, und Buben kämpfen gern. Das ist mal so. Höchstwahrscheinlich biologisch schon eingepflanzt.“ Das ist mal so? Biologisch eingepflanzt?! Allein deswegen lohnt das Einschalten, denn wann kann ein Fernsehchef schon mal derartig reaktionären Stumpfsinn unkommentiert in laufende Fernsehkameras sagen. Christoph Schultheis

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