■ Bonn apart: Einfühlsam wie Bayerns Franz Josef
Landluft macht frei. Nehmen wir Franz Josef Strauß. In den Weiten seines bajuwarischen Königreichs schaltete und waltete er, wie er wollte. Sein besonderes Augenmerk galt der arbeitsmarktintensiven Großindustrie. Rührend setzte er sich zum Beispiel für den Starfighter ein. Trotz einiger Irritationen über seine unkonventionelle Vorgehensweise wurde er schließlich Kanzlerkandidat. Das hat möglicherweise Eindruck auf einen gemacht, der auch gern Kanzlerkandidat werden will. Gerhard Schröder nämlich, den Ministerpräsidenten einer ländlichen Gegend im Norden der Republik.
Schröder hat auch schon immer viel für Arbeitsplätze getan. Nehmen wir seinen Versuch, sich am Landeskabinett vorbei bei Kanzler Kohl für den U-Boot- Export in das Spannungsgebiet Taiwan einzusetzen, während Niedersachsen gerade für ein grundgesetzliches Verbot von Waffenexporten in Nicht-Nato- Länder kämpfte. Das war zwar nicht die feine Art, hätte aber den Küstenländern einen Jahrhundertauftrag einbringen können.
Allein um Arbeitsplätze geht es VW-Aufsichtsratmitglied Schröder auch, wenn er sich gegen eine Ökosteuer einsetzt. Ihm ist es zu verdanken, daß sich die SPD mit ihrem Steuerkonzept um die Rettung der Automobilindustrie verdient macht. Die Mineralölsteuer soll nun doch nur um sechs Pfennig steigen. Schröder weiß, wo der Schuh drückt. Es zahlt sich eben aus, daß er sich vom VW-Chef zum Bildungsausflug nach Wien einladen läßt.
Jetzt hat sich Schröder erneut eingesetzt. Bund und Länder haben nämlich einen fiesen Anschlag auf die Atomwirtschaft vor. Deren Rückstellungen für Entsorgungsbetrieb und Wiederaufbereitung sollen teilweise aufgelöst werden. Das würde 16 Milliarden Mark Steuernachzahlungen bedeuten. Schröder, eigentlich nicht Atom-Befürworter, aber ein bißchen doch – SPD- Chef Oskar Lafontaine ist schließlich für einen baldigen Ausstieg –, will auch diesmal Schaden begrenzen. Einfühlsam wie sonst nur noch Atomminister Strauß (1955/56), regt er an, von der Besteuerung abzusehen. Die Stromunternehmen sollen statt dessen mit 2,5 Milliarden Mark erneuerbare Energien fördern. Die Atomwirtschaft würde vorm Bankrott gerettet und nebenbei etwas für die Umwelt tun.
Schröders nächste Aktion zur Rettung des Standorts Deutschland liegt schon in der Schublade: VW von Steuerzahlungen befreien! Im Gegenzug müssen die Wolfsburger für hundert Autos jeweils ein Fahrrad bauen. Markus Franz
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