Diplomaten sind nicht überall immun

Die Verfassungsbeschwerde des ehemaligen syrischen Botschafters in Ost-Berlin wird abgelehnt. Ihm wird die Beteiligung am Maison-de-France-Bombenanschlag vorgeworfen  ■ Aus Karlsruhe Christian Rath

Der Haftbefehl gegen den ehemaligen syrischen Botschafter in Ost-Berlin, Feisal Sammak, bleibt bestehen. Ihm wird Beihilfe zum Bombenanschlag der Gruppe Carlos auf das Berliner Kulturzentrum Maison de France vorgeworfen. Bei diesem Anschlag im August 1983 starb ein Mensch, 23 weitere wurden verletzt.

In einer Verfassungsbeschwerde hatte Sammak sich darauf berufen, seine Immunität als Botschafter gelte auch gegenüber der Bundesrepublik fort. Dem widersprach gestern der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts. Sammak wird derzeit in Syrien vermutet, aber mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Ausgeführt wurde der Anschlag von dem Deutschen Johannes Weinrich und dem Libanesen Mustafa Al-Sibai. Sie wollten damit Carlos' Gefährtin Magdalena Kopp aus französischer Haft freipressen. Logistische Hilfe leisteten die Ostberliner Staatssicherheit und die syrische Botschaft in der DDR.

Beim früheren Stasi-Oberstleutnant Helmut Voigt lagerte der Sprengstoff, der im Maison de France benutzt wurde, für rund ein Jahr. Die Stasi hatte Weinrich das explosive Gemisch zuerst abgenommen, dann aber wieder zurückgegeben – neun Tage vor dem Anschlag. Voigt war deshalb 1994 zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt worden. Das Gericht hatte ihm Kenntnis der Attentatspläne unterstellt.

Unmittelbar vor dem Anschlag lagerte der Sprengstoff dann in der syrischen Botschaft in Ost-Berlin, im Dienstzimmer des dritten Botschaftssekretärs Nabil Chritah, der sich zur Zeit gemeinsam mit Weinrich vor dem Berliner Landgericht wegen des Anschlags verantworten muß. Als Weinrich den Sprengstoff holen wollte, kamen Chritah Bedenken. Er wandte sich an Botschafter Sammak, der ihm jedoch freie Hand gab. Die Berliner Staatsanwaltschaft wertete diese Laisser-faire-Haltung des Botschafters, der auch die Lagerung des Sprengstoffs geduldet hatte, als Beihilfe zum Mord und erließ einen internationalen Haftbefehl. Doch während sich der ehemalige Botschaftssekretär Chritah im Frühjahr 1994 überraschend den deutschen Behörden stellte, übernahm Sammak die Führung der syrischen Tabakindustrie. Erst als er im Frühjahr 1995 bei einem Geschäftsbesuch in Österreich verhaftet wurde, bemerkte er die Klemme, in der er steckte. Zwar drückten die österreichischen Behörden beide Augen zu und ließen Sammak wieder ziehen, nachdem Syrien überraschend erklärt hatte, Sammak sei noch immer Diplomat (tatsächlich ist er wohl ein Schwager des Präsidenten Hafiz Assad). Doch von nun an setzte Sammak alle Hebel und viel Geld in Bewegung, um den Haftbefehl wieder loszuwerden.

Ein Gutachten der renommierten Völkerrechtler Karl Doehring und Georg Ress sollte belegen, daß seine Immunität als Botschafter auch gegenüber der Bundesrepublik fortwirke. Dem konnte sich das Verfassungsgericht allerdings nicht anschließen. Zwar könne Sammaks Beteiligung am Bombenanschlag durchaus als dienstliche Tätigkeit angesehen werden, urteilten die Richter, da es eine Weisung der syrischen Botschaft gegeben habe, der Gruppe Carlos „jegliche mögliche Hilfe“ zukommen zu lassen. Damit hätte der Botschafter auch nach seiner Ausreise aus der DDR weiter Immunität genossen – allerdings nur gegenüber den DDR-Behörden.

Sammaks Anwalt versuchte nun zu belegen, daß sich die Immunität eigentlich gegen alle Staaten (also auch gegen die Bundesrepublik) richte und nicht nur gegen den ehemaligen Aufenthaltsstaat.

Hilfsweise machte Sammak geltend, daß die Bundesrepublik die Rechtsnachfolgerin der DDR sei und deren Pflichten übernommen habe. Hat sie aber nicht, so das Verfassungsgericht, gerade im Bereich völkerrechtlicher Verträge sei jeweils im einzelnen ausgehandelt worden, welche Pflichten weitergelten sollten. Eine nachträgliche Straflosigkeit wegen eines Bombenanschlags in West-Berlin sei jedenfalls nicht vorgesehen.

Sollte Sammak verhaftet werden, wird er sich wie der ehemalige Botschaftssekretär Chritah wegen Beihilfe zum Mord verantworten müssen. Unter den Opfern waren mehrere Mitglieder einer Friedensgruppe, die an diesem Tag eine Petition gegen französische Atomwaffenversuche abgeben wollte. Auch der getötete Michael Haritz gehörte zu ihnen. Kommentar Seite 10