Wasser bindet, Wasser trennt

■ Arbeitslose zum Aufräumen an die Oder?

„Leichte Konjunkturerholung“ meldet die Bundesanstalt für Arbeit. Trotzdem ist der Arbeitslosenpegel „saisonal bedingt“ um 130.000 gestiegen. Der Sommer sei schuld. Welcher Sommer? Die immergleiche Argumentation ist angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht lustig. Die Wirklichkeit im Land der Aktienrekorde sieht anders aus, wie eine weitere Meldung der Bundesanstalt zeigt. 10.000 zusätzliche Stellen für Arbeitslose gebe es im Notstandsgebiet an der Oder, hieß es. Harte Arbeit ist zu vergeben: unterspülte Straßen reparieren, fremder Leute Häuser entschlammen, nasse Sandsäcke wegschleppen. Eine langfristige Anstellung ist bei Aufräumarbeiten naturgemäß ausgeschlossen, nach wenigen Monaten werden die Helfer wieder stempeln gehen. Dreckjobs und McJobs.

Die Oderfluten machen nicht nur die Nation zur Gemeinschaft, sondern lassen auch die ansonsten diskriminierten Arbeitslosen als Helden erscheinen. Fern von Heimat und Familie stehen die Menschen zur Verfügung, mobil und flexibel, wo immer Not am Standort Deutschland ist. Das haben sich Neoliberale immer gewünscht. Gestern schon bewarben sich Arbeitslose aus der ganzen Republik auf die 10.000 Stellen, deren Finanzierung noch nicht gesichert ist. Entlassene Werftarbeiter aus Bremen und Langzeitarbeitslose aus dem Ruhrgebiet erhoffen sich Arbeit an der fernen polnischen Grenze.

Die Bezahlung reicht nicht aus, den Andrang zu erklären. Doch Arbeit bedeutet längst mehr als Geld fürs täglich Brot und Bier. Prestige und Daseins- Sinn machen die Arbeit heute ebenso zu einem begehrten Gut. Auch deshalb wäre der Einsatz an der Oder so attraktiv.

Fernsehbilder von Arbeitslosen aus der ganzen Republik, die Brandenburger Häuser wieder instand setzen – die wird es nicht geben. Denn bei der Verteilung bezahlter Arbeit bleibt die Region lieber unter sich. Folglich möchte Brandenburg nur Landeskinder zu bezahlten Helfern machen, nicht die flexiblen Jobsucher aus der Ferne. Der bezahlte Arbeitsplatz im Hochwassergebiet bleibt für die arbeitslosen Kollegen aus dem Westen eine Schimäre. Flut, Deichbruch und die in den letzten Tagen beschworene Schicksalsgemeinschaft ersetzen eben keine aktive Arbeitsmarktpolitik. Robin Alexander Bericht Seite 4