■ Kohl muß weg! Und was bleibt dann den Genossen?: Wer PDS wählt, wählt PDS
Die Genossen reden nicht mehr vom Regieren. Sie haben nur noch ein einziges Ziel: 1998 mit fünf Prozent in den Bundestag, egal wie. Bis vor einem halben Jahr konnte die PDS-Führung nicht oft genug erklären, daß die Partei endlich bei den Großen mitspielen und Regierungsverantwortung übernehmen will – und jetzt das. Fünf Prozent. Das ist alles. Kohl muß weg? Rot-grünes Reformprojekt? Schröder oder Lafontaine? Kein Bedarf an ausgefeilten Koalitionsdebatten. Auf ihrer Wahlkonferenz hat die PDS-Führung ihre Mitglieder auf die zentrale Wahlkampflosung eingeschworen: Erstens kommt die PDS, zweitens kommt die PDS, drittens kommt die PDS. Und was kommt dann? Kommt da überhaupt noch etwas?
Natürlich ist es völlig legitim, daß eine Partei zuerst an sich selbst denkt – in dieser Hinsicht kann die PDS insbesondere von der SPD noch einiges lernen. Für die PDS ist dieser Egoismus sogar überlebenswichtig, sie muß 1998 in den Bundestag. Als eine nur in der Ländern verankerte Regionalpartei à la CSU hat sie keine Perspektive. Aber wer diesen Egoismus so weit treibt wie die PDS und behauptet, es sei völlig egal, wer in Bonn regiert, weil von CDU bis zu den Grünen sowieso alle nur den Kapitalismus wollen, der hat nicht mal Marx und Lenin verstanden, geschweige denn noch mehr. Die Losung „Nur wer PDS wählt, kann sicher sein, nicht CDU gewählt zu haben“ ist genauso blöd wie der Spruch von Trittin und Thierse „Jede Stimme für die PDS ist eine Stimme für Helmut Kohl“. Am Ende dieser politischen Kindereien kann dann zwangsläufig nur das Motto stehen, das auf der Wahlkonferenz am Wochenende als wichtigste Antwort auf die Angriffe von SPD und Grünen präsentiert wurde: „Wer PDS wählt, wählt PDS.“
Die PDS verspielt mit dieser Abgrenzungsstrategie nicht nur die Chance, nach 1998 Teil eines rot-grünen Reformprojekts zu werden. Sie bedient damit auch die unter ihren Mitgliedern weit verbreitete Vorliebe, sich lieber mit sich selbst zu beschäftigen als mit der bösen Welt da draußen. Die PDS sei nicht politikfähig, sagen Bisky, Gysi, Bartsch und Brie immer wieder, die Partei reduziere sich auf den Osten und beschäftige sich zusehr mit der Vergangenheit. Die PDS-Spitze wird daran nur wenig ändern können, so lange sie das von ihr kritisierte Heimatgefühl immer wieder selbst auflädt. Nur wer PDS wählt, kann sicher sein, keine Partei, sondern eine Wärmestube gewählt zu haben. Jens König
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