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Rolli-Bikes auf Kasse

■ Sozialgericht Bremen: Behinderten dürfen sich auf Kosten der Kasse frei bewegen

Der Rollstuhlfahrer Matthias Botter hatte Glück: Seine Krankenkasse finanzierte ihm zusätzlich zu seinem Rollstuhl auch ein Rollstuhlfahhrrad. „Für Querschnittsgelähmte sind die Dinger toll“, so Botter. „Da steigt die Lebensqualität und das Unabhängigkeitsgefühl.“Fahrradtouren mit Freunden oder ein paar Kilometer bis zur Arbeit – mit dem Rolli-Bike wird's möglich.

Doch viele Krankenkassen verweigern die Finanzierung der zwischen 4000 und 7000 Mark teuren Zusatzgeräte. Jetzt hat das Sozialgericht Bremen im Fall eines 34jährigen Querschnittsgelähmten entschieden: Die Neptun Krankenkasse aus Hamburg muß ein Rolli-Bike bezahlen, obwohl sie keine Lust dazu hat. Ausschlaggebend war für das Gericht, daß auch Rollstuhlfahrer das Grundbedürfnis nach Mobilität haben. Mit dem Gerät können sich Behinderte diesen Wunsch leichter erfüllen, argumentiert das Gericht. In früheren Urteilen wurde hauptsächlich danach entschieden, ob das Gerät einen medizinischen Zweck erfüllt oder nicht.

Jörg Wulfgramm, Sprecher des Bremer Sozialgerichtes, ist sich der Besonderheit der Urteilsbegründung wohl bewußt. „Wir betonen die soziale Funktion, die das Rollstuhlfahrrad hat. Für Rollstuhlfahrer ist es wichtig, halbwegs gleichberechtigt am Fahrradverkehr teilnehmen zu können.“Offengelassen hat das Gericht dabei, ob das Gerät auch aus medizinischen Gründen notwendig ist. Krankengymnasten und Orthopäden bestätigen, daß die Bikes Verspannungen und die Überbelastung der Schultern verhindern.

Für Horst Friehe, Vorsitzender des Vereins „Selbstbestimmt Leben“, ist das Urteil des Sozialgerichtes eine tolle Sache. „Mit dem Rolli-Bike können wir uns ein Stück Lebensraum erobern. Das Urteil ist eine wichtige Entscheidung.“Tagtäglich fährt Richter Horst Friehe die drei langen Kilometer bis zu seinem Arbeitsplatz mit seinem Rollstuhl-Fahrrad – ohne das Gerät wäre er wohl immer noch aufs Auto angewiesen.

Weil die Vorteile der Rolli-Bikes klar zu sehen sind, fordert Friehes Verein, daß die Krankenkassen das Gerät in ihre Hilfsmittelkataloge aufnehmen sollen. Dann wäre ein Anspruch gegenüber den Krankenkassen leicht durchzuboxen. Die unterschiedliche Bewilligungspraxis der Krankenkassen hängt aber auch damit zusammen, daß Gerichte in der Vergangenheit nicht einheitlich geurteilt haben. Die AOK zum Beispiel ist bei der Bewilligung eher zurückhaltend, weil sie die Geräte teilweise nicht für verkehrssicher hält. Bei einer Normalgeschwindigkeit von 6 km/h bei Rollstühlen finden die AOKler das Gerät schlicht zu schnell. Ein Gericht in Würzburg hatte mit einer solchen Begründung die Klage eines Behinderten gegen seine Krankenkasse abgelehnt.

Die Rolli-Bikes können tatsächlich mit der Geschwindigkeit von Fahrrädern mithalten, weiß Elisabeth Nagel von der Firma „Nageltech“. „Den Berg runter laufen die Dinger bis zu 40 km/h – wenn man damit umgehen kann.“Seit zwei bis drei Jahren verkauft sie immer mehr der High-Tech-Geräte. Vor zehn Jahren waren die ersten Prototypen produktionsreif, inzwischen können die Kunden zwischen zehn Modellen wie Speedy-, Stricker- und Bison-Bike wählen. Sechzig Sekunden dauert es, ein Gerät vor den Rollstuhl zu montieren. Die Kraftübertragung funktioniert ähnlich wie beim Fahrrad – allerdings braucht man Arm-, nicht Beinmuskeln. Christoph Dowe

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