piwik no script img

■ QuerspalteSchumis Abschiebepraxis

Allen Unkenrufen zum Trotz – jaha, da haben alle drauf gewartet, daß ein Glößchen dieser Tage Herrn Grass beleuchtet und dann so beginnt. Gern geschehen. Allen Unkenrufen zum Trotz jedenfalls „ist Deutschland ein fremdenfreundliches Land“. So erklärte Helmut Kohl (Die Blechbrille) auf dem „Deutschland-Tag der Jungen Union“ in Magdeburg, und denen das dort zu erklären bzw. zu unterstellen kann ja nicht verkehrt sein. Und nebenbei noch einen rauf auf die Blechtrommel: Grass habe sich „gewaltig aufgeblasen“. Aufgeblasen, sagt der Dicke. Wir gucken hin und lachen.

Und denken nach: fremdenfreundlich. Von wegen. Die Wahrheit ist so bitter. Michael Schumacher (Die Blechschüssel) hat gezeigt, wie recht Grass hat mit seiner Kritik an der deutschen Abschiebepraxis: Ins Kiesbett mit dem Verfolgenden aus dem Ausland. Weg da, Platz da, der Stärkere gewinnt. Lernen die Menschen denn gar nichts dazu? Schumacher unfair, Schumacher draußen, gerechte Strafe und würdiger Endsieg für Jacques, der ja sowieso auch besser aussieht.

Gott hatte vielleicht die Hände im Spiel, am Steuer, in der Box, und der kennt eben weder Nation noch Rennstall. Der kennt nur Autoren und Autorinnen (auch Autorennen!). Günter Grass kennt seine Pappenheimer und schämt sich. Und auch Placido Domingo wendet sich ab, Ferrari hin und her, Star-Tenor: „Ich schäme mich für Schumi.“ Das ist gut! Das macht ja sonst keiner!

Derweil verkündet Formal-1-Boß Bernie Hintzestone, Schmumacher sei nunmehr endgültig aus dem Kreis ernstzunehmender Autos ausgeschieden. Abgeschoben ist nicht abgehoben, klar bei Sportlern, und folglich gibt es keine Abschiebehaft für Schumi. So weit ist es also gekommen. Wie zynisch kann Rennsport sein? Wie weit dürfen wir gehen – und fahren? Entsetzen jedenfalls allerorten. Lektor Kai Edel weiß um die „Bitterkeit des Augenblicks“. Da fliegt einem das Blech weg. Da hat sich einer ausgeblasen. Goodbye, Kerpens Dose. Benjamin v. Stuckrad-Barre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen