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Ausgerechnet Pfefferminz-Tee

■ Götz George gibt von Sonntag an wieder den Schimanski in neuen Folgen

Er kann glänzend schauspielern. Seine Verkörperung des KZ-Kommandanten Rudolf Höß in dem Film „Aus einem deutschen Leben“ (1977) gilt als beängstigend gelungen. Aber erst in den Achtzigern wurde er zum Star: Götz George war fortan für alle – Horst Schimanski. Frauen himmelten ihn an; sogar schwule Männer wie Rosa von Praunheim erträumten den Kerl zu einem der Ihren. Was für eine Karriere: Zwischen 1981 und 1991 schwitzte und vögelte und menschelte Schimmi sich in 29 „Tatort“-Folgen durch die Abgründe des Reviers rund um Duisburg. Für die Rolle des Mörders Haarmann in „Der Totmacher“ (1994) bekam George den Filmpreis des Festivals von Venedig. Nun gibt der Mann gegen alle Schwüre doch wieder den Schimanski. Sonntag startet die ARD eine zunächst dreiteilige Neuauflage der Serie mit dem bald 60jährigen Götz George in der Titelrolle. taz-Reporterin Daniela Weingärtner sprach mit Götz George über ein mögliches Schimmi-Revival

Mensch, Schimmi! Klar, du kannst es nicht ausstehen, so genannt zu werden. Hab' ich auch nicht. Wie ein Mantra murmelte ich auf dem Weg zum Interview: Herr George, Götz George, Sohn von Heinrich George, einziger deutscher Actionschauspieler mit Weltstarqualitäten, Charakterdarsteller, Vollblutmime, würdiger Erbe des väterlichen Talents.

Und ich hab' mich kein einziges Mal verquatscht und immer respektvoll Herr George gesagt – trotzdem warst du sauer. Uns hast du beim Gespräch mit mir und Kollegen gesagt, scharfen Wind von vorn zu spüren. Mensch, Sch... Herr George, wieso bloß?

Ich bin ein weiblicher Fan. Eine von den 36 Prozent, die (laut Hörzu-Umfrage) im Zusammenhang mit Ihnen an Dinge denken, die, gelinde gesagt, Ihnen als Mann von Saft und Kraft so unangenehm nicht sein dürften. Nein, ziehen Sie jetzt nicht das gefurchte Gesicht in noch verquältere Falten, fahren Sie nicht so müde mit der breiten Hand über die hohe Stirn...

Sie hätten wirklich nicht vorsorglich erwähnen müssen, daß Sie das Sanatorium, in dem Sie sich von den Strapazen der jüngsten Dreharbeiten erholen, nur diesen einen Abend lang verließen, um sich der Pressemeute zum Fraß hinzuwerfen. Mein Beißtrieb ist gleich Null und will doch nichts als ein bißchen anhimmeln, einmal tief in die stahlblauen Augen seh'n – und was tun Sie? Starren auf den Tisch und rühren – in Ihrem Pfefferminztee!

Der neue Schimanski trinkt Weißwein, schnüffelt sogar am Korken – und das ist schwer zu schlucken. Aber das hätte ich gerade noch hingenommen. Daß der Ruhrpottmief das luftige Exil am Lütticher Kanal nicht unbeschadet überstehen würde, damit hatte ich gerechnet. Man lebt auch nicht sechs Jahre mit so 'ner Klassefrau mit dem weltläufigen Namen Marie- Claire und kippt weiterhin sein Bier im Stehen. Aber mußte es denn Tee sein, Sch... Herr George? So deutlich hätten Sie wirklich nicht zeigen müssen, wie sehr wir Ihnen auf den Magen geschlagen sind.

Verständlich, daß Sie mit Bild nicht mehr reden wollen. Auch daß Sie der Stern mißverstanden hat – geschenkt. Aber daß Sie keinen von uns hätten treffen wollen, wenn Sie vom WDR dazu nicht vergattert worden wären: das nagt. Noch dazu, wo ich mich doch als Fan geoutet ... okay, das Wort streichen wir, steht ja auf dem Index seit der Sache mit Rosa von Praunheim.

„In Amerika...“ – Wie Sie das so sagen, wird Ihr Blick ganz träumerisch. Fast wie bei Schimmi, wenn er an was Schönes denkt. In Amerika ist jedenfalls alles besser. Die Gagen zum Beispiel. Michael Schumacher fällt Ihnen in dem Zusammenhang noch ein. Ist zwar kein Ami, aber ein Star. An seinem Fall könne man lernen, was die Deutschen den wenigen Stars antun, die es in diesem Land überhaupt aushalten: Sie demontieren sie. Kaum schubst so einer aus Versehen mal seinen Konkurrenten von der Straße, fällt gleich die Presse über ihn her. Dabei konnte doch jeder leicht erkennen, daß Schumi nicht absichtlich geschubst hat!

Diesen Vorwurf kontern wir routiniert. Alle deutschen Stars beklagen hin und wieder die mangelnde Begeisterungsfähigkeit deutscher Journalisten. Sogar Kleindarsteller aus dem Bonner Sommertheater wissen in diese Klage einzustimmen. Aber ist es nicht gerade unser typisch deutsches gebrochenes Verhältnis zu Helden, das uns den brüchigen Helden Schimanski, den tolpatschigen Rächer aus dem Revier, hat ans Herz wachsen lassen?

Ich bin sicher, Herr George, in Ihre schauspielerische Leistung lassen Sie bewußt eine Prise Ironie einfließen, Ihr Supermann kommt augenzwinkernd daher. Nein? Wie sagten Sie mal: „Ich nehme diese Rolle ernst. Ich ironisiere sie nicht.“ Wem hilft diese Information – vor allem aber: Was wird aus meiner Illusion?

In Amerika, lassen Sie uns wissen, dürfen Stars ein Leben lang ihre Geheimnisse behalten, dürfen der Presse ihr Privatleben vorenthalten und bleiben dabei doch immer Stars. Abgesehen davon, daß Michael Jackson das vielleicht anders sehen würde, möchte ich Ihnen ehrlich zurufen: Wenn Sie noch Geheimnisse übrig haben, dann wählen Sie doch endlich den American way of secrets! Was Sie und mich angeht, so sehne ich mich nach der Zeit Ihrer Geheimnisse zurück.

Natürlich habe ich versucht, Ihnen einige davon zu entlocken, das ist leider mein Beruf. Trotzdem hätten Sie geschwiegen, sich im harten Kneipenstuhl rückwärts kippen lassen, die Arme verschränkt, den Schimmi im Blick, und gesagt: „Laß nur, Kleines, wir beide kennen das Spiel, aber ich spiele es besser...“

Und was tun Sie, Unterarme aufgestützt, Hände anklagend gen Himmel? Ein Maler, so schnaubten Sie, werde auch nicht permanent genötigt, sein Werk zu interpretieren! Und was den neuen Schimmi angehe, den Helden der achtziger in der Actionkulisse der neunziger Jahre, so sei das schon eine merkwürdige Erwartung, daß der sich verändert haben müsse. Shakespeare lasse sich schließlich auch nicht ungestraft ins Heute übertragen.

Dazu, verehrter Herr George, enthielt ich mich jeden Kommentars. Ich fragte auch nicht, ob Sie sich nun für Picasso halten und Regisseur Hajo Gies für Shakespeare, auch wies ich nicht darauf hin, daß Sie selber zur Figur des Horst Schimanski einen ganzen Sack voller Strickmuster schon geliefert haben. Vor sechs Jahren meinten Sie: „Nach '68, nach Brokdorf waren die Autoren skeptisch, daß Polizisten immer superschlaue Durchblicker sind. Deswegen haben wir gesagt: Laßt den als Bullen mit dem Kopf gegen die Wand rennen. Der verwechselt IQ mit High noon. Wir wollten mit Schimanski die ganze Bandbreite einer solchen Person zeigen. Er ist nun mal kein Saubermann.“ Und kürzlich sagten Sie: „Er ist nachdenklicher, er ist älter geworden. Dazwischen zeigt er auch wieder die alte Verve, den Humor. Der neue Schimanski ist weitgehend der alte.“

Ist doch klar, daß wir Journalisten dieses Knäuel an Widersprüchlichem gern entwirren würden. Job ist Job, nicht wahr, Schimmi? Vielleicht hilft ein Blick in die Literatur. Immerhin ist das „lese- und rechtschreibgeschwächte polnische Halbblut“ mittlerweile Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses. Eine Magisterarbeit bescheinigt Ihnen, daß Sie den Schimanski sehr körperlich geben, ohne daß es übertrieben wirkt. Na, ist das nix?

Auch zum Thema „Schimanski und die Frauen“ hat die Wissenschaft sich Gedanken gemacht. „Wo sich die Möglichkeit bietet, startet er einen korrekten, teilweise sehr höflichen und immer unverblümten Annäherungsversuch... Frauen bleiben für ihn immer erschreckend faszinierende Wesen zwischen Traum und Alptraum... Selbst mit einer intellektuellen Frau reduziert er jedes Gesprächsthema auf Liebe und Sex.“ Diese Behauptung stammt von einer Intellektuellen. Sie beruft sich dabei auf ein sehr intensives Studium der Schimanski-Folgen, der beiden Kinofilme und der Bücher zum Film. Begegnet ist sie Ihnen nicht. Sie darf weiter träumen, vielleicht übersteht Schimmi ihre Promotion noch unbeschadet.

Ich dagegen sehe mein Walhalla sich lichten. Unverschuldet. Wie gesagt, mein Beißtrieb war gleich Null. Auf Ihre heiseren Vorwürfe antwortete ich mit verständnisvollem Lächeln. Dennoch verspürten Sie weiter diesen scharfen Wind von vorn. Keine Rede von Liebe und Sex. Sie rutschten in Ihrer gewaltigen Lederjacke mit dem großen bunten Drachen drauf so jämmerlich in sich zusammen, froren so über alle Maßen unter meinen kalten Fragen, daß ich hätte sagen mögen: Put your head on my shoulder...Das hätte mit Sicherheit gleich zur nächsten Enttäuschung geführt. Auch dem neuen Schimmi begegnen sie ständig, diese schutzbedürftigen Mädchen, die im Moment größter Verzweiflung ihr Köpfchen an seine breite Schulter betten. Was tut in so einer Situation ein Held? Er patscht auf die glänzende Haarpracht und murmelt: „Ganz ruhig, Kleines.“

Für die 36 Prozent seiner weiblichen Zuschauer, von denen schon die Rede war, ein ernüchternder Vorgang. Klar, Schimmi, du bist damals auch deshalb ausgestiegen, weil in dem Maß, in dem die Substanz der Drehbücher abnahm, die Zahl der pro Folge flachgelegten Blondinen zunahm. Auch ich bin in diesem Zusammenhang eher für Qualität als für Quantität. Aber als Alternative war doch nicht ein kumpeliger Patsch gemeint!

Beim Anbaggern der androgynen Staatsanwältin („Sagen Sie, kann man die Tür da auch von innen abschließen?“) schlummerst du einfach weg, bevor sie noch richtig „Pfui“ gesagt hat. Klar, Mann, die Stunts sind höllisch anstrengend. All die Autos, über die du wieder schliddern mußt, die Hechtsprünge – ganz der Alte, alle Achtung. Und wie du diesen Sandberg runterpurzelst und dir ein junger Kollege helfen muß, um wieder auf die Beine zu kommen – das macht dich so richtig sympathisch: Mensch, Schimmi, wir werden alle nicht jünger. Für einen Kommissar jedenfalls, der das Vorruhestandsalter längst überschritten hat, bist du doch echt gut drauf.

Auch die Behauptung, du würdest in die alte Schimmi-Jacke gar nicht mehr reinpassen, ist doch wieder nichts als üble Nachrede meiner bösen Kollegen. Hab' sie doch selbst gesehen. Hängt in Folge eins gleich mehrfach im Schrank. Wohl weiß ich noch, daß du vor Jahren in einem Interview gesagt hast, die Rolle des Schimanski sei für dich wie ein ausgewachsener Konfirmandenanzug. Also kannst du nicht die Schimmi-Jacke gemeint haben.

Vielleicht eher die Tangaslips. Also über die müssen wir noch mal reden, ehrlich! Diese prüden Typen aus dem Katalog, „die mit dem Handy ins Bett gehen und die Klobrille mit Kleenex abwischen, bevor sie scheißen“, die sind dir doch ohnehin zuwider. Weißt du nicht mehr, wie du dem Spiegel – wieder so ein Quentchen Geheimnis, das da flöten ging –, wie du dich da über die neue Prüderie beklagt hast? Erst sechs Jahre ist das her: „Ich lehne es ab, mit Slip aufzustehen, wenn ich in einer Szene gerade mit 'ner Braut gepimpert habe. Solange mein Arsch keine Falten wirft, werde ich ihn zeigen.“

Leider, Schimmi, kann ich über Falten noch nichts sagen, die Kameraeinstellung war allzu total. Aber daß du statt Tangas dich mit diesen Stretchmonstern behelfen mußest, die so fatal an Stützkorsetts erinnern – ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß Marie-Claire auf so was steht.

Und nötig – mal ehrlich –, nötig hast du sie auch nicht. Ist doch noch alles dran und kein Gramm zuviel. Nimm zum Beispiel den Derrick – also den hast du ins Gespräch gebracht, ich wär nicht auf den Vergleich verfallen –, stell' dir den in Tangas vor, der sähe vielleicht alt aus!

Zugegeben, der Derrick ist nicht Deutschlands einziger Actionstar, aber immerhin ein Exportschlager. Und wenn nicht mal der Gedanke an einen Derrick in Tangas das Schimmi-Grinsen in Ihre Augenwinkel zaubern kann, Herr George, ausgebreitet noch dazu in der deutschen Zeitung, die nach der ersten Schimanski-Folge, 1981, als einzige zu Ihnen stand und überzeugt war: Solche Bullen braucht das Land!, dann, ja dann quetschen Sie sich eben in Ihr Korsett und trinken Sie ihren verdammten Pfefferminztee aus. Kalt ist der ja schon lange.

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