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CDU: Rente soll schon nächstes Jahr kürzertreten

■ Die gesamte Rentenreform soll auf 1998 vorgezogen werden, meint der CDU-Vorstand. Die SPD geht nach Kompromißangeboten jetzt wieder auf Distanz

Bonn (taz) – Nachdem die CDU gestern beschlossen hat, die Rentenreform komplett auf 1998 vorzuziehen, wird das Chaos um die Rente immer größer. Kernpunkt der Reform ist die allmähliche Absenkung des Niveaus von derzeit 70 auf 64 Prozent des Nettolohns. Allerdings stellte die CDU diese Maßnahme wie schon den Anstieg der Rentenbeiträge auf 21 Prozent unter einen Vorbehalt. Als Voraussetzung für das Vorziehen nannte Generalsekretär Peter Hintze, daß die SPD zur Mitwirkung bereit sei. Das schloß SPD- Chef Oskar Lafontaine gestern aus.

Die Entscheidung der CDU bedeutet zugleich, daß es keinen Kompromiß von Koalition und SPD bei der Senkung der Rentenbeiträge geben wird. Lafontaine sagte: „Wir akzeptieren keine Reform, die bei Durchschnittsrenten von 900 Mark für Frauen Spielraum für Kürzungen läßt. Wenn es dazu kommt, wird es keine Einigung mit der SPD über die Rentenbeiträge geben. Das ist die klare Aussage des Parteivorsitzenden.“

Zudem brüskiert die CDU ihren Koalitionspartner CSU. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hatte es abgelehnt, die Rente noch vor den bayerischen Landtagswahlen und der Bundestagswahl im kommenden Jahr zu senken. Die SPD hatte zuletzt signalisiert, der Koalition in der Frage der Rentenbeiträge entgegenkommen zu wollen. Nachdem der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder vorgeschlagen hatte, die Mehrwertsteuer 1998 zu erhöhen, hatten sich alle Seiten einigungsbereit gezeigt. Selbst die SPD-Fraktion schien von ihrer Bedingung abzurücken, daß die Mehrwertsteuer nur im Zusammenhang mit der Mineralölsteuer angehoben werden dürfe. Fraktionschef Scharping sagte, die Mineralölsteuererhöhung sei „kein Dogma“.

Bundeskanzler Kohl hatte noch am Morgen des Rentenbeschlusses die Bereitschaft zu Gesprächen mit der SPD bekundet und gesagt, er erwarte rasch Ergebnisse. Auch FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle erklärte, zu Verhandlungen über eine Anhebung der Mehrwertsteuer bereit zu sein. Allerdings machte er zur Bedingung, daß dann auch die für 1999 beschlossene Strukturrefrom auf 1998 vorgezogen wird. Genau daran scheitert jetzt aber eine Einigung – und dies dürfte wohl auch der CDU bei ihrem gestrigen Beschluß klar gewesen sein. Die SPD hatte in den letzten Monaten immer wieder unmißverständlich erklärt, daß sie zu einer Absenkung der Renten nicht bereit sei und daran auch die Frage der Mehrwertsteuererhöhung knüpfe. Am 31. Oktober hatte der Rentenexperte der SPD, Rudolf Dreßler, der Koalition im Bundestag zugerufen: „Sie können von mir aus noch 23 Versuche starten, die SPD im Wege der Finanzierung in die mittelbare Verantwortung für ihre unsoziale Rentenreform zu zwingen. Sie werden scheitern.“

Bei der SPD werden durch die gestrige Entwicklung interne Streitigkeiten unter den Teppich gekehrt. Schröders Vorstoß hatte nicht bei allen Genossen Zustimmung gefunden. Der Fraktionssprecher der SPD sagte in der letzten Woche, die Fraktion werde bei ihrem Vorhaben bleiben, die Mehrwertsteuer nur zusammen mit der Mineralölsteuer zu erhöhen. Oskar Lafontaine nahm zu Schröders Vorschlag nicht ausdrücklich Stellung. Offenbar durch den öffentlich Zuspruch für Schröders Vorstoß unter Druck gesetzt, erklärte aber auch er sich kompromißbereit. Allerdings signalisierte er mit keinem Wort, daß die SPD auf die Erhöhung der Mineralölsteuer verzichten werde. Auch gestern sagte er: „Ich weise darauf hin, daß in unserem Angebot die Mineralölsteuer enthalten ist.“ Markus Franz

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