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■ DokumentationFrau im Spiegel

Der Unmut über die männerlastige Berichterstattung des Hamburger Nachrichtenmagazins „Spiegel“ gärte unter Redakteurinnen des Blattes schon lange vor der letzten Titelstory. Eine Mitarbeiterin verfaßte bereits vor einem halben Jahr eine kritische Analyse ihres eigenen Blattes. Wir dokumentieren in Auszügen:

1. Frauen, gerade jüngere und/ oder höher gebildete, haben ein Politikverständnis, das sich von dem des Spiegel gravierend unterscheidet. Die alte Spiegel- Gleichung, daß Politik = Bonn/ Kanzler/Parteigekungel/Küchenkabinett sei, stößt bei ihnen auf Unverständnis bzw. Desinteresse. Die offiziellen Machtstrukturen und das Personalkarussell der Parteien sind diesen potentiellen Leserinnen weitgehend gleichgültig, da sie diese als Bonner Bubenspiele erleben. Das „Entree“ des Spiegel (also die ersten zirka 30 Seiten) ist daher ein sicherer Weg, potentielle Leserinnen abzuschrecken. [...]

2. Der gedachte Idealleser des Spiegel ist weiß, deutsch, gebildet, halbwegs liberal, wirtschaftlich erfolgreich. Und vor allen Dingen: Er ist männlich. Diese Prämisse ist dem Blatt in praktisch jedem Artikel – inklusive Foto-Auswahl – anzusehen. Der Spiegel verbreitet eine einverständige Männer-unter-sich- Atmosphäre. Wenn überhaupt, wird „über“ Frauen verhandelt, vorzugsweise über Frauen als Problemfall (siehe „Frauen fahren schlechter Auto“-Artikel). Gerade diejenigen Frauen, die als Zielgruppe angesprochen werden sollen, müssen sich eine solche Ausgrenzung nicht gefallen lassen. Warum sollen sie ein Nachrichtenmagazin lesen, das so offensichtlich nicht für sie gemacht wird? [...]

3. Der Spiegel soll und wird sich nicht zu einem feministischen Kampfblatt entwickeln, auch wenn die Frauenquote steigt. Doch es ist auffällig, daß bei vielen aufgeheizten gesellschaftspolitischen Themen, die Frauen beschäftigen (zum Beispiel der Fall Weimar; sexueller Mißbrauch und die These vom „Mißbrauch des Mißbrauchs“; Woody Allen contra Mia Farrow, der Spiegel dezidiert und hämisch antifeministische Positionen vertritt. Auch wenn die meisten jüngeren Frauen sich wohl nicht als „Feministinnen“ der 70er-Jahre-Schule definieren, ist eine solche misogyne [frauenfeindliche d. Red.] Grundhaltung dem Gewinn an weiblicher Leserschaft sicher nicht zuträglich. [...]

Wenn der Spiegel an weiblichen Lesern interessiert ist, muß er sich in seiner Personalpolitik umorientieren. Es muß so viele Redakteurinnen geben, daß „weibliche“ Themen bei Konferenzen nicht prinzipiell wie „Minderheiten“-Themen wirken, die von der männlichen Mehrheit als zweitrangig gesehen werden; und es muß Ressortleiterinnen bzw. sonstige Entscheiderinnen geben, die auch unpopuläre Frauenthemen (zum Beispiel „Frauen in den Chefetagen“) durchsetzen können. [...]

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