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Mit „Empowerment“ gegen Ghettobildung

Kongreß „Migration – Stadt im Wandel“: Nur mit Konzepten, die sowohl Stadtplanung, Stärkung von Selbsthilfe und wirtschaftliche Impulse umfassen, kann die Migrationsbewegung stadtverträglich bewältigt werden  ■ Von Uwe Rada

Drei Dinge sind es, die nach Ansicht des Stadtsoziologen Hartmut Häußermann von der Humboldt- Universität derzeit die Stadtentwicklung auch in Berlin bestimmen: die Privatisierung der Stadt, die wachsende soziale Polarisierung sowie die Migration. Demgegenüber steht das Eingeständnis des Stadtplaners Max Welch Guerra von der Technischen Universität, daß sich Stadtplanung bislang mit dem Thema Migration nicht beschäftigt habe. Deutlicher könnte das Spannungsfeld nicht beschrieben sein, mit dem die Stadtplaner, Soziologen, Architekten und Politiker am gestrigen Abschlußtag der Konferenz „Migration – Stadt im Wandel“ zu tun hatten.

Drei Themen standen beim Berlin-Forum in der Werkstatt der Kulturen in der Neuköllner Wissmannstraße zur Debatte: die räumlichen Entwicklungsprozesse der Migration, die Intervention der Planer und Politiker sowie die Frage der bürgerschaftlichen Teilhabe der Migranten. Die stadträumlichen Konsequenzen der Zuwanderung nach Berlin beschrieb Häußermann als die „Herausbildung marginalisierter Gebiete“. Insbesondere die Umlandwanderung einkommensstarker Familien führe in den Innenstadtquartieren zu einer Entmischung der Bevölkerung. Dabei, so Häußermann, entstünden Gebiete, wo sich sowohl die sozial Schwächsten mit deutschem Paß als auch die sozial Schwächsten mit ausländischem Paß sammelten. Nicht über Segregation oder Integration sollte deshalb diskutiert werden, sondern über die Frage, wie in diesen Gebieten planerisch interveniert, wie die Ausbildungssituation der Jugendlichen verbessert oder Selbsthilfeprojekte unterstützt werden können.

Zwar wurde Häußermanns Plädoyer für ein „enpowerment“ – bei dem Migranten staatliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, ohne deren Einsatz zu kontrollieren – von vielen der zumeist deutschen Diskussionsteilnehmer geteilt. Gleichwohl, so warnte der grüne Europaabgeordnete Ali Yurttagül, dürfe die Diskussion um die stadträumlichen Komponenten der Migration nicht überbewertet werden. Es müssen darüber hinaus auch politische, ökonomische und soziale Antworten gefunden werden. Mehr als über die Forderung, den Migranten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern oder in lokalen Partnerschaften die Gemeinwesenökonomie aufzubauen, reichte die Berliner Debatte allerdings nicht. Namentlich mit dem Sektor der informellen Ökonomie tue man sich hierzulande – anders als etwa in Frankreich – noch schwer, kritisierte die Soziologin Laura Vanhué. Vanhué berichtete vom Vortrag des Franzosen Michel Peraldi, der die informelle Ökonomie der maghrebinischen Einwanderer in Marseille zum Thema hatte. Daraufhin, so Vanhué, habe ein deutscher Teilnehmer der Diskussion ganz redlich gefragt, ob man für eine solche ökonomische Tätigkeit eine Genehmigung brauche. Mit einer solchen Frage habe Peraldi in der Tat nicht gerechnet. In Deutschland, kommentierte eine Teilnehmerin diese Anekdote, sei das Thema informelle Ökonomie eher ein Gegenstand ordnungspolitischer Maßnahmen als der Forschung und Stadtplanung.

Wie groß freilich künftig in Berlin der Diskussionsbedarf über solche Themen sein wird, verdeutlichte der Stadtsoziologe Andreas Kapphan. Allein in den Jahren 1994 und 1995 seien 40 Prozent der Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion gekommen. Dies, so Kapphan, werde sich auch in den kommenden Jahren nicht ändern. Zu der osteuropäischen Zuwanderung kämen noch Migranten der Balkanländer sowie aus der Türkei im Zusammenhang mit der Familienzusammenführung.

Für Hartmut Häußermann zeichnet sich damit ein düsteres Szenario ab, in dem die Mittelschicht aus der Innenstadt abwandere und Arme und Migranten zurückblieben. In einer solchen Situation könne, ähnlich wie in den USA, schnell die Frage auftauchen, ob man für diese Bewohner noch Sozialhilfe zahlen solle. „Migration“, so Häußermann, „wird mehr und mehr nicht mehr als Thema der Mehrheitsgesellschaft gesehen.“

So gutgemeint auch die gestern auf dem Berlin-Forum des Migrationskongresses vorgestellten Ansätze waren, ein grundsätzliches Umdenken der Politik können sie nicht ersetzen. Doch das ist derzeit nicht in Sicht. Noch immer dreht sich die gesamte Planung der Stadtentwicklungsverwaltung um sogenannte „neue Stadtbürger“ oder „Urbaniten“. Damit sich dies einmal ändert, müssen die Stadtsoziologen von der Humboldt-Uni, die Stadtplanungssenator Peter Strieder um tatkräftige Unterstützung gebeten hatte, noch viel Überzeugungsarbeit leisten.

Siehe Bericht Seite 6

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