■ Normalzeit: Kleiner Systemvergleich
Der ehemalige West-Berliner Innensenator Heinrich Lummer rechtfertigte die Praktiken „seines“ Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) damit, daß die Beamten nichts anderes täten als die Journalisten auch: „Informationen sammeln!“ Nur letzteren droht eine Gegendarstellung, wenn sie Stuß schreiben, was sich nachteilig auf ihre Karriere auswirkt.
Für die staatlichen Sammler gilt das Gegenteil! In meiner LfV- Akte hatten sie zum Beispiel als erstes die Zeitschrift Bambule abgeheftet – eine echte Sauerei, da ich beim Konkurrenzblatt Hundert Blumen tätig war. Dafür beider Vorläufer 883 mit dem Hinweis: In meiner Wohnung in der Mommsenstraße träfen sich „883-Redakteure zur Dienstagsschulung“, die „terroristische Aktivitäten“ unterstützen. Völliger Blödsinn: Weder gab es jemals eine Dienstagsschulung, schon gar nicht in meiner Wohnung, erst recht nicht mit 883-Redakteuren, die ich bis auf den später als Stasi-Spitzel enttarnten Dirk Schneider und zwei andere kaum kannte, und sie unterstützten keine terroristische Aktivitäten. Frei erfunden.
Man versuchte mich mit einem abgehefteten Artikel von mir aus dem Interim-Vorläufer Info-BUg zu versöhnen, den das LfV mir später sogar als Kopie nachschickte, da war er aber längst auch woanders erschienen. Kurzum: Das LfV ist eine Gurkentruppe!
Ganz anders angeblich das Ministerium für Staatssicherheit (MfS): „Langsam rechnet sich die Stasi!“ meinte neulich schon eine Ex-Gauck-Mitarbeiterin, als sie erfuhr, daß eine westdeutsche Zeitung wieder für zigtausend Mark Stasi-Akten erworben habe. Eine – einseitige – „Akte“ reichte man an mich weiter. Die Quelle hieß „Beate Schäfer“, der verantwortliche MfS-Major „Helmut Voigt“ (er betreute später als Oberstleutnant die West- Terroristen in der DDR). Seine 1983er Quelle hatte in der taz gesessen – als Vorläuferin von IM- Redakteur Till Meyer? –, die inzwischen verstorbene Brigitte Heinrich. Erkennbar a) am schlechten Schreibstil und b) an der Vermischung meiner Person mit einem Frankfurter. Quelle „P.S.“ schreibt: „Das angebliche Interview mit der Terroristin Inge Viett hat Höge geschrieben und es über die rechten Kräfte in der taz abdrucken lassen.“ Falsch: es waren die „linken“.
B. Heinrich sah das allerdings anders. Und ich habe schon beim Studium der „Moskauer Prozesse“ nie kapiert, was dabei Rechte und Linke sein sollten. „Dieser Höge ist schon mal ähnlich in Erscheinung getreten, wo ein angebliches Interview mit einem DDR-Grenzer gemacht worden sein soll.“ Holperig, aber wahr. Darauf folgt aber das Biographem eines Frankfurter Hausbesetzers mit ähnlichem Namen, der in den Siebzigern aus rituellen Gründen Katzen an Türen nagelte. Grad neulich verwechselte mich wieder ein FU-Dozent aus Frankfurt mit diesem Katzenquäler. Ich hatte dagegen als junger Mensch Den kleinen Tierfreund abonniert – und auch gelesen!
Schon mein Vater klaute einmal Otto Muehl alle Performance-Hühner, um ihr Leben zu retten, und mich suchten schwere Solidaritätskonflikte heim, als die Kommune 1 aus Protest einen Dackel vor der Gedächtniskirche verbrennen wollte. Die Quelle schreibt: „Höge war bis vor einiger Zeit in der sog. Blues-Szene tätig, die kirchlich orientiert ist und sog. Blues-Messen veranstaltet.“
Quatsch: Die Blues-Messen des Frankfurters waren nicht – wie in Ost-Berlin vielleicht – „kirchlich orientiert“, sondern satanistisch inspiriert. Und die Blues-Szene“, das waren die Westberliner Haschrebellen, mit denen ich auch nur über zwei Leute lose verbunden war: Wir planten einen Rosenverkaufsstand am Ku'damm! (Damals gab es noch keine Rosenverkäufer aus Bangladesch in Berlin.)
Ansonsten war ich damals viel zu studierversessen, um mich groß für außeruniversitäre Attentate begeistern zu können – wenn auch zugegeben genauso „terroristisch“. „Man überfalle nur einen Anarchisten mit einer Hausdurchsuchung, sein Topor intellectualis ähnelt dem eines Verliebten, welchem ein Versprechen zuteil geworden“, so Nietzsche sinngemäß. Helmut Höge
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen