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AnalyseBajonett und Minarett

■ Die Türkei vor dem Verbot der islamistischen Wohlfahrtspartei

Im Verfahren gegen die islamistische Wohlfahrtspartei legt das türkische Verfassungsgericht den Endspurt ein. Die Plädoyers sind längst gesprochen, ab heute tritt das Gericht zur Urteilsfindung zusammen. Die elf Richter werden darüber befinden, ob die Wohlfahrtspartei (Refah), die die stärkste Fraktion im türkischen Parlament stellt, verboten wird. Verfassungsgerichtspräsident Yekta Güngör Özden erwartet ein Urteil binnen zehn Tagen.

Die beschwörenden Worte des Refah-Vorsitzenden Necmettin Erbakan, daß die Partei auf dem Boden der verfassungsmäßigen Ordnung stehe, welche die Trennung von Staat und Religion vorschreibt, werden die Richter kaum beeindrucken. Vieles spricht dafür, daß die Partei einem Verbot nicht entkommen wird. Vergangene Woche wurde das Gutachten des Berichterstatters des Gerichts bekannt. Gutachter Yusuf Özturk kommt zu der Auffassung, daß die Wohlfahrtspartei zum „Zentrum fundamentalistischer Aktivitäten mit dem Ziel des Sturzes der verfassungsmäßigen Grundordnung“ geworden sei. Als fair kann der Prozeß kaum bezeichnet werden: Özturk verfaßte sein Gutachten nur zehn Tage nach der Vorlage der 10.000 Seiten umfassenden Verteidigungsschrift.

Ein politisches Urteil steht also an, das eine wichtige Frage beantworten wird: Ist eine islamistische Partei, die immerhin vor sieben Monaten noch den Ministerpräsidenten der Türkei stellte, kompatibel mit einem säkularen politischen System? Die Militärs haben diese Frage schon im Juni mit Nein beantwortet, als sie Ministerpräsident Erbakan aus dem Amt drängten. Die Richter, die im Mainstream baden, werden sie ebenfalls mit Nein beantworten. Mit der von putschenden Militärs aufgestellten türkischen Verfassung sind Parteienverbote einfach. Linke und kurdische Parteien haben das bereits erfahren müssen.

Die Illegalisierung der Wohlfahrtspartei wäre ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte des politischen Islam. Eine Radikalisierung der Bewegung kündigt sich an – der Oberbürgermeister von Istanbul, Tayyip Erdigan, der darauf spekuliert, nach Erbakan zum starken Mann aufzusteigen, sagte jetzt: „Die Minarette sind unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Moscheen unsere Kasernen.“ Doch islamistischer Terror im Ausmaß Algeriens wird in der Türkei nicht unmittelbar auf der Tagesordnung stehen. Trotz Verbotes werden die türkischen Islamisten, die nun seit über drei Jahrzehnten im Parlament vertreten sind, nach neuen Kanälen suchen, um im Rahmen des parlamentarischen Systems zu erstarken. Die Weichen für eine neue Partei anstelle der Wohlfahrtspartei sind bereits gestellt. Ömer Erzeren

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