piwik no script img

„Eine Beschwerde ist ein Geschenk“

Wie ein Vertrauensmann für Kundenfreundlichkeit im AK Barmbek sorgt  ■ Von Lisa Schönemann

Irgendetwas gibt es immer zu murren: Entweder sind die Krankenpfleger zu ruppig oder die zahlreichen Besucher der Zimmergenossin schier unerträglich. Egal, was den Patienten im Allgemeinen Krankenhaus Barmbek sauer aufstößt, der Patientenvertrauensmann Klaus-Dieter Hohmann klemmt sich sofort dahinter. Ein Sprinter, der hinter den Kulissen agiert und „ewige Nörgler“nicht ernst nimmt. Echte Patientensorgen dafür umso mehr. „Ärzte und Technik haben wir genug“, sagt der weißhaarige Hohmann mit einem besonnenen Lächeln, „meistens hapert es an der Kommunikation“. Wer heute in eine Gesundheitsfabrik dieser Größenordnung humpelt, will sich behütet fühlen.

Bei der Arbeit des Pastors geht es um mehr als nur um die leidige Frage, warum das Krankenhaus- essen auf den grauen Tabletts nicht wie bei Muttern schmeckt. Der wandelnde Kummerkasten soll strukturelle Mängel aufspüren, die die Klinikmaschinerie auf dem Weg in eine kundenorientierte Zukunft bremsen. Ungeachtet des sinkenden Klinikbudgets soll der „Kunde“, der zumeist geschwächt daherkommt, im Spital zum König werden. „Eine Beschwerde ist ein Geschenk“, versucht der Ombudsmann dem erschöpften Personal seinen Ansatz nahezubringen. „Das ist hartes Brot für diejenigen Mitarbeiter, die Kritik nicht ausstehen können“, weiß Hohmann, der die Klagen sammelt und sie in Kundenwünsche ummünzt.

„Ich habe einen Patienten auf einer inneren Station besucht, der den Verdacht hegte, falsche Medikamente zu bekommen“, beschreibt Hohmann eine typische Patientenbeschwerde. Der ehrenamtlich tätige Ombudsmann fragt nach und erfährt, der diensthabende Arzt hat die alten Tabletten abgesetzt und ein neues Behandlungskonzept entworfen. „Nur hat in der Hektik der Visite niemand die Zeit gefunden, dem Herzkranken diese Entscheidung zu erläutern“, stellt Hohmann fest. Mitunter wirft er gemeinsam mit dem Patienten und dem Stationsarzt einen Blick in die Krankenakte. „Das mach–ich am liebsten“, freut sich Hohmann, „plötzlich drücken sich die Ärzte dann ganz klar aus.“Wenn gleichzeitig der Stationssegen schief hängt, lädt sich der ehemalige Krankenhausseelsorger zum Kaffee ins Schwesternzimmer ein. Dort wirft der Patientenfürsprecher einen Blick auf die Dienstpläne und die angestrengten Gesichter. Hohmann versucht, vor Ort zu vermitteln und läßt einige Patientenbeschwerden aus der letzten Zeit einfließen. Bei chronischer Unterbesetzung und einem Berg von Überstunden vergeht selbst den zähesten Schwestern das Lächeln am Krankenbett.

Beim nächsten Gespräch mit dem Klinikdirektorium des AK Barmbek wird Hohmann – ganz beiläufig – die dünne Personaldecke der betreffenden Station ansprechen. Personelle Engpässe sind aufgrund des geltenden Einstellungsstopps ohnehin kaum zu beheben. Bei den baulichen Mängeln, die sich in Patientenklagen über undichte Fenster und altertümliche sanitäre Einrichtungen widerspiegeln, sieht es noch schlechter aus.

Um Geld zu sparen, werden jetzt trotz steigender Patientenzahlen in der Augenheilkunde, der Inneren Medizin und in der Chirurgie massiv Betten abgebaut. Für die Beschäftigten bedeutet das, in immer kürzerer Zeit immer mehr Patienten durch Diagnostik und Therapie zu schleusen. Um die Erkrankten nicht der seelenlosen Apparatemedizin zu überlassen, wirft der Ombudsmann hier und da einen Blick hinter die Kulissen. „Überraschungsbesuch“, nennt er seine Stippvisiten in der Krankenhausküche oder in der Chirurgie. „Wenn ich über das Gelände gehe, treffe ich immer jemanden, der gerade nicht zurechtkommt oder dessen Operation verschoben worden ist. Vielleicht mußte ein Notfall vorgezogen werden oder auf der Intensivstation ist kein Bett frei.“Niemand hat den Patienten über die internen Gründe der Entscheidung informiert.

Ein anderes Beispiel: Bei einem über achtzig Jahre alten Mann mit einem bösartigen Tumor werden Metastasen in der Leber entdeckt. Wiederholt fragen die Angehörigen, warum er nicht operiert wird. Dabei steht die Diagnose für die Chirurgen längst fest: Inoperabel. Ob niemand dem alten Mann ins Gesicht sagen wollte, wie es um ihn steht, oder ob der Patient sich dagegen gesträubt hat, die Hoffnungslosigkeit seines Zustandes zu erkennen, läßt sich nicht mehr rekonstruieren. „Bei Krebspatienten mit schlechten Prognosen traut sich oft niemand, mit dem Erkrankten zu sprechen“, weiß Hohmann. Da kommen ihm seine Erfahrungen als Krankenhausseelsorger zugute.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen