: Chemie-Anleger unerwünscht
Der Stader Konzern Dow Chemical will keine Fahrgäste des Elbe-City-Jets vor seinem Werkszaun – aus Angst vor einem Störfall ■ Von Achim Fischer
Die Fahrgäste des Elbe-City-Jets stellen ein Sicherheitsproblem für das Chemiewerk Dow Chemical in Stade dar. Werks-Chef Enno Schüttemeyer fordert die Stadt in einem Brief auf, dafür zu sorgen, daß die Elbkatamarane nicht mehr „völlig unvorbereitete Personen zu Hunderten an unseren Werkszaun ,schaufeln'“. Der Anleger Stadersand neben der Chlorgasfabrik solle deshalb verschwinden. Das berichtet das Greenpeace-Magazin in seiner neuesten Ausgabe.
Die Katamarane verkehren seit Sommer 1996 zwischen Hamburg und dem Alten Land. An der Endstation Stadersand können Touristen einen Einkehrschwung in das Ausflugslokal „Elbkate“machen. Oder gleich per Bus in wenigen Minuten die Altstadt erreichen – sehr zur Freude der örtlichen Geschäftsleute. Soweit sie ihr Geld nicht mit der Chlorchemie verdienen.
Stadersand sei bei einem möglichen Störfall, etwa dem Austritt einer Chlorgaswolke, wie ein Mauseloch, befürchtet Dow-Manager Schüttemeyer. Es gebe von dort keine Fluchtwege, der Fähranleger müsse deshalb weg. „Es ist nicht zu verstehen“, so schrieb er an Stadtdirektor Dirk Hattendorff, „daß den Fraktionen unseres Rates die Touristen wichtiger sind als die Prosperität unseres Werkes mit seiner phantastischen Entwicklung.“
Und weiter: „Warum kaprizieren sich die Fraktionen so sehr auf die angenehmen Dinge des täglichen Lebens, mit dem Restaurant und der Anlegestelle am Fluß, genau da, wo wir unsere Sorgen haben, und überlassen uns die Probleme mit der Sicherheit, mit der Entwertung unseres Geländes, mit der Verschlechterung unserer Standortbedingungen?“Welche „Probleme mit der Sicherheit“Dow hat, und warum Menschen vor dem Werkszaun eine „Entwertung des Geländes“darstellen, darüber schwieg sich das Unternehmen gegenüber der taz aus.
Stades Stadtbaurat Kersten Schröder-Doms sieht in den Dow-Forderungen „legitime Interessen“. Das Werk befürchte schärfere Sicherheitsauflagen für Neubauten – und damit einen Nachteil im weltweiten Wettbewerb. Die Stadt aber sei „sehr daran interessiert, daß die äußerst lukrative Fährverbindung erhalten bleibt.“Deshalb suche man „nach einer Lösung, die beiden Seiten gerecht wird“, so Schröder-Doms.
Zum Beispiel? „Die Verlegung des Anlegers an eine andere Stelle.“So wie Dow es fordert. Vier Alternativen werden zur Zeit geprüft. Bei dreien davon aber würde die Busverbindung erheblich länger dauern, die vierte – ein Anleger im viel zu flachen Stadthafen – war schon vor Gründung der Katamaran-Linie verworfen worden. Auch Baurat Schröder-Doms kann sich einen der vier Alternativ-Anleger nur „sehr schwer“vorstellen. Statt dessen „könnte man versuchen, die Situation in Stadersand zu optimieren“– mit „großzügig ausgelegten Schutzräumen“.
Die Betreiber des Elbe-City-Jets, unter anderem die SAL Schiffahrtskontor Altes Land GmbH, wurden bislang nicht in solche Überlegungen einbezogen. Zum Anleger Stadersand gebe es „überhaupt keine Alternative“, erklärt SAL-Geschäftsführer Hans Heinrich. Und wundert sich darüber, „daß wir ein Risikofaktor“sein sollen.
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