piwik no script img

Ein Schrittchen vor, wieder eins zurück

FDP-Generalsekretär Westerwelle tut so, als wolle er noch in dieser Legislaturperiode eine Staatsangehörigkeitsreform. Und weiß genau, daß es nicht klappt. Die CDU wirft ihm „widersprüchliche“ Manöver vor  ■ Aus Bonn Markus Franz

Was ist der Reformdauerbrenner in der aktuellen Legislaturperiode? Die Steuerreform? Falsch. Die Staatsangehörigkeitsreform, so wie es aussieht. Während bei der Steuerreform Anfang des Jahres endgültig der letzte Sargnagel geschlagen wurde, hat die FDP wenigstens ein Händchen der totgeglaubten Staatsangehörigkeitsreform aus dem Sarg herausgehängt.

Die Belebung der Leiche scheint nach der gestrigen Sitzung des Innenausschusses allerdings fehlgeschlagen zu sein. Es fragt sich, ob sie überhaupt ernst gemeint war. Am Dienstag hatten die FDP-Politiker Guido Westerwelle, Cornelia Schmalz-Jacobsen und Max Stadler den Entwurf für einen Gruppenantrag veröffentlicht, mit dem für in Deutschland geborene Ausländerkinder bis zum 18. Lebensjahr die doppelte Staatsbürgerschaft eingeführt werden soll.

14 CDU-Abgeordnete, darunter Rita Süssmuth, Heiner Geißler, Horst Eylmann und Peter Altmaier, wurden schriftlich aufgefordert, zusammen mit der FDP eine parlamentarische Initiative zu starten. Die Mehrheit der Unions-Abgeordneten lehnt eine doppelte Staatsangehörigkeit strikt ab.

Zudem sah es so aus, als wolle die FDP im Innenausschuß ihren Widerstand gegen eine Bundesratsinitiative des rot-grün regierten Hessen aufgeben, derzufolge nur solche Ausländerkinder automatisch eingebürgert werden sollen, deren Eltern schon in Deutschland geboren wurden. Es hieß, die FDP- Mitglieder des Innenausschusses hätten vereinbart, sich der Stimme zu enthalten und somit der Bundesratsinitiative zu einer Mehrheit zu verhelfen. Das Gesetz hätte dann zwar noch im Bundestag beschlossen werden müssen, es wäre aber eine Vorentscheidung für die Abstimmung gefallen, die nun spätestens in der ersten Märzwoche fallen soll.

Doch es kam anders: Westerwelle und Stadler stimmten zusammen mit den Mitgliedern von CDU und CSU gegen die Bundesratsinitiative. Nur Cornelia Schmalz-Jacobsen enthielt sich. Bei einer Stimmengleichheit von 19 zu 19 war die Initiative damit abgelehnt. FDP-Mitglieder bezeichneten das Abstimmungsverhalten von Westerwelle und Stadler als „unsauber“. Es sei unglaubwürdig, wenn die FDP zwar einerseits einen Gruppenantrag zu einer Reform des Staatsangehörigkeitsrechts initiiere, sich aber andererseits einer realistischen Lösung verweigere.

Auch die Grünen hatten für die Bundesratsinitiative gestimmt, obwohl sie weitergehende Vorstellungen haben. Heftige Kritik an Westerwelle übten auch die CDU- Abgeordneten Geißler, Eylmann, Altmaier, Gröhe und Röttgen. In einem Brief an Westerwelle, Stadler und Schmalz-Jacobsen kritisierten sie das „widersprüchliche und trickreiche“ Vorgehen Westerwelles. Der Gruppenantrag sei daher zum Scheitern verurteilt.

Westerwelle begründete gegenüber der taz seine „vehemente“ Ablehnung damit, daß die Initiative keine zeitliche Beschränkung der doppelten Staatsbürgerschaft vorsehe, wie es beim Gruppenantrag geplant sei. Auf die Frage, ob ihm nicht der Spatz in der Hand lieber sei als die Taube auf dem Dach, antwortete er: „Das ist kein Spatz, sondern eine Kröte.“

SPD und Grüne nehmen Westerwelle diese Begründung nicht ab. Die Ausländerexpertin der SPD, Cornelie Sonntag-Wolgast, kritisierte, „Westerwelle sollte es fertigbringen, entsprechend seiner Überzeugung abzustimmen, anstatt sich hinter der vagen Ankündigung eines Gruppenantrags zu verstecken“.

Cem Özdemir von den Bündnisgrünen sagte, das Abstimmungsverhalten Westerwelles zeige, daß sein Gruppenantrag „nur eine Nebelkerze“ sei. Dem Generalsekretär komme es lediglich darauf an, die FDP im Wahlkampf als entschiedene Befürworterin einer Staatsangehörigkeitsreform zu präsentieren, die nur an der CDU gescheitert sei. Einer Reform des Staatsangehörigkeitsrechts in dieser Legislaturperiode gebe er so gut wie keine Chance.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen